Geburtshilfe Frauenheilkd 2004; 64(7): 679-680
DOI: 10.1055/s-2004-820986
Editorial

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

HRT - eine unendliche Geschichte

HRT - a Never Ending StoryM. Breckwoldt1
  • 1Universitätsklinik Freiburg
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Publication Date:
07 July 2004 (online)

Die Diskussion um Nutzen und Risiken der Hormonersatztherapie nimmt mittlerweile Formen an, die einer sachlichen Bewertung im Zeitalter der Evidenced-based Medicine nicht mehr gerecht werden. Die Diskussion erscheint zunehmend emotionalisiert und ideologisiert. Das Thema um die HRT ist fast zu einem Politikum geworden. Nun fragt man sich nach den Ursachen für diese Entwicklung, wobei die HRT die Phasen des „Hosianna bis zum kreuzige Ihn“ durchlaufen hat. Als in den 60er-Jahren Wilson mit seinem Buch „Feminine For Ever“ an die Öffentlichkeit trat, begegnete man der Behandlung mit Sexualhormonen im Klimakterium zunächst mit einer gewissen Skepsis und Zurückhaltung, die bald in eine nahezu euphorische Akzeptanz umschlugen. Die Nichtverschreibung von Hormonpräparaten wurde von einigen Protagonisten gar schon zum Kunstfehler deklariert. Seitdem die Ergebnisse der WHI-Studie publiziert und von der Laienpresse aufgegriffen wurde, wird nunmehr die Hormonbehandlung als „Therapie zum Tode“ apostrophiert und sogar von offizieller Seite mit dem Contergan-Skandal verglichen. Man fragt sich nun, wie in unserer aufgeklärten Zeit ein therapeutisches Verfahren derartige Wechselbäder durchlaufen kann.

Die Gründe hierfür liegen sicherlich einerseits darin, dass Daten zu Nutzen und Risiko von HRT mit den Instrumenten der Epidemiologie erfasst werden, die leicht dazu führen können, Koinzidenzen mit Kausalitäten gleichzusetzen. Der Umgang mit epidemiologischen Daten ist schwierig, sie beginnt mit deren Erhebung und endet mit der Problematik ihrer Interpretation. Dabei genügt es nicht, die Zusammenfassung einer epidemiologischen Studie zur Kenntnis zu nehmen, sondern man muss sich auch darüber im Klaren werden, wie die Daten zustande gekommen sind, welche Fehlerquellen sich einschleichen und welche Irrtumsmöglichkeiten sich dabei ergeben. Es ist daher nicht von ungefähr, dass jede epidemiologische Studie mit dem Satz endet: „Weitere Untersuchungen sind notwendig.“ Bei der Berechnung des relativen Risikos geht es nicht nur darum, Signifikanzen zu ermitteln, die Daten müssen auch in biologischer bzw. pharmakologischer Hinsicht plausibel sein. Besonders schwierig wird es, wenn die Auslegung von epidemiologischen Befunden freien, nicht sachkundigen, Journalisten überlassen wird, denen dann nicht nur die Süddeutsche Zeitung, sondern auch großzügig das Deutsche Ärzteblatt als Forum überlassen wird. Bedenklich wird es aber, wenn der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärztekammer sich auf unrealistische Hochrechnungen bezieht, sich damit an die Öffentlichkeit wendet und so Angst und Schrecken bei der Bevölkerung und der Ärzteschaft verbreitet. Im Vordergrund steht dabei der Hinweis auf die Erhöhung des Mammakarzinomrisikos, wobei immer mit dem relativen Risiko argumentiert wird. Der Unterschied zwischen dem relativen und dem absoluten Risiko wird meist nicht erläutert.

Dabei ist es jedem Gynäkologen klar und einleuchtend, dass die Zeitspanne zwischen Menarche und Menopause den entscheidenden Risikofaktor für die Entwicklung eines Mammakarzinoms darstellt. Je länger diese Zeitspanne, desto größer das Risiko. Eine signifikante Erhöhung des Risikos wird allerdings erst nach einer 5-jährigen Hormonsubstitution erkennbar und bedeutet in absoluten Zahlen, dass unter 1000 Frauen, die für 5 Jahre Hormone einnahmen, zwei zusätzliche Fälle von Mammakarzinom diagnostiziert werden.

Für die zukünftige Behandlung dieses Themas wünscht man sich mehr Sachlichkeit und Realitätsbezug.

M. Breckwoldt, Freiburg

Prof. Dr. med. M. Breckwoldt

Uinversitätsfrauenklinik
Abt. Frauenheilkunde

Hugstetter Straße 55

79106 Freiburg

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