B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2005; 21(4): 135
DOI: 10.1055/s-2004-820287
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

K. Pfeifer
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Publication Date:
12 August 2005 (online)

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Rückenschmerzen kommen und gehen. Sie gehören zum Leben wie Schnupfen und graue Haare - sie lassen sich anscheinend kaum vermeiden. Dies gilt für den größten Teil der Rückenschmerzen, die als sog. unspezifische Rückenschmerzen ohne klaren zugrunde liegenden Pathomechanismus ca. 80 % unserer Mitmenschen mehr oder weniger plagen. Vorsichtig geschätzt, belasten sie unser Sozialsystem durch Behandlungskosten und Arbeitsunfähigkeit mit ca. 20 Mrd. Euro/Jahr.

In der Diskussion über die richtigen Wege zur Prävention und Rehabilitation von Rückenschmerzen ist in jüngster Zeit viel Bewegung! Auf der Basis vorliegender wissenschaftlicher Evidenz sind kürzlich neue europäische Leitlinien für den Umgang mit Rückenschmerz in Prävention und Rehabilitation erschienen (www.backpaineurope.org). Auch nationale Ärztegesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) oder die Internationale Gesellschaft für orthopädische Schmerztherapie (IGOST) haben Leitlinien formuliert, die zu einer Verbesserung der Versorgung von Rückenschmerzpatienten und hier v. a. zur Vermeidung einer Chronifizierung der Rückenschmerzen führen sollen.

Dabei wird Folgendes deutlich: Alle Leitlinien stellen sowohl für die Prävention als auch für die Rehabilitation

bewegungsbezogene Intervention (allg. als „exercise”) in Verbindung mit verhaltensbezogenen Interventionen (als kognitiv-behaviourale) in den Vordergrund!

Sie bestätigen damit erfreulicherweise die im DVGS vertretene und sportwissenschaftlich begründete Philosophie, Menschen durch die Verbindung von physischem Üben und Trainieren mit pädagogischen und psychologischen Maßnahmen „bewegungskompetent” zu machen und sie zu eigenständiger, positiv erlebter, körperlicher Aktivität hinzuführen.

Gerade die kluge Verknüpfung von Übungen, Bewegungsformen und Trainingsinhalten mit verhaltensbezogenen Maßnahmen und Gesundheitsbildungsinhalten ist die Stärke der Bewegungs- und Sporttherapie. Diese interdisziplinäre Stärke gilt es herauszustellen (anstatt sich, wie mancherorts zu beobachten, in „funktionellen” Rechtfertigungen zu verlieren) und die vorhandenen Kompetenzen in die Entwicklung von adäquaten indikations- und zielgruppenbezogenen Interventionen einzubringen. Entsprechend beteiligen sich Vertreter des DVGS z. B. in einer Expertengruppe der Bertelsmann-Stiftung zum Qualitätsmanagement in der Versorgung von Rückenpatienten. Auch an der dringend nötigen Neuentwicklung von Ausbildungscurricula zur Rückenschule ist der DVGS in der „Konföderation deutscher Rückenschulen”, einem Zusammenschluss aller in diesem Bereich ausbildenden Verbände, aktiv.

Dieses Heft greift die aktuelle Diskussion auf. In den Wissenschaftsbeiträgen wird der Paradigmenwechsel im Umgang mit Rückenschmerz als Grundlage für die bewegungstherapeutische Praxis von national und international renommierten Experten referiert. Die Praxisbeiträge zeigen Beispiele aus dem Alltag. Für alle Beiträge wünschen wir Ihnen eine gewinnbringende Lektüre.

Ihr Klaus Pfeifer

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