ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2004; 113(1/02): 3
DOI: 10.1055/s-2004-820001
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schauen wir mal

Cornelia Gins
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Publication Date:
23 February 2004 (online)

Nein, es geht nicht um die Praxisgebühr. Alles Nötige und Unnötige ist gesagt worden. Schwachsinn bleibt eben Schwachsinn. Allerdings trifft der Unmut über diese Gebühr einen ganz anderen Punkt. Im Grunde genommen sind ja 10 Euro - realistisch betrachtet - nicht wirklich die Welt. Aber sie stehen in diesem Jahr am Anfang einer Reihe von Mehrausgaben, die uns Bürgern zwar bewusst, aber noch nicht richtig fassbar sind. Die Stimmung ist trotz angeblicher Steuerentlastung schlecht. Die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse lösen bei der Mehrheit der Bürger eher Beunruhigung denn Zuversicht aus. Die vorsichtige Vorhersage eines leichten Wirtschaftsaufschwungs hat noch zu keiner Verbesserung der Stimmung gesorgt. Woher auch. Keiner glaubt, dass er am Ende wirklich mehr in der Tasche hat, um es für andere Dinge als das Nötigste ausgeben zu können. Der Lebensstandard wird trotz alledem sinken, davon geht jedenfalls die Mehrheit aus. In Berlin sind beispielsweise schon jetzt über 160000 Haushalte verschuldet.

Nun in Berlin mögen die Uhren anders gehen, aber vor diesem Hintergrund sollten vielleicht die allzu euphorischen Kommentare zu den neuen Möglichkeiten der freien Vereinbarung mit den Patienten gesehen werden. Die Bema-Umstrukturierung hat zwar eine Reihe von Liberalisierungen im Gepäck, aber wie groß wird die Bereitschaft der Patienten sein, diese auch wirklich nutzen zu wollen bzw. zu können? Die hoffnungsfrohe Aussicht auf eine bessere ertragreiche betriebswirtschaftliche Basis der Praxen wird vielleicht doch relativ bleiben. Es ist damit zu rechnen, dass nun unter den Praxen ein stärkerer Wettbewerb entsteht. Das ist ja wohl auch von der Politik so gewollt. Wie viel die viel beschworene Arzt-Patienten-Bindung tatsächlich wert ist, wird sich in dem Augenblick zeigen, in dem der Patient erfährt, dass Zahnarzt X die Brücke viel preiswerter anbietet als Zahnarzt Y. Der Patient wird beim Zahnersatz genauso vergleichen lernen wie beim Erwerb eines Kühlschranks. Das haben wir doch in den Marketingkurse gelernt: Der Patient wird Kunde, und der schlaue Kunde vergleicht nun mal. Wer will schließlich schon gern als blöd gelten, und Geiz ist auch noch geil.

Das Jahr 2004 wird auch für die Zahnärzte spannend werden. Vor dem Hintergrund der neuen noch völlig im Dunkeln liegenden Zahnersatzrichtlinien in 2005 werden mit Sicherheit viele verunsicherte Patienten in unsere Praxen gespült werden. Die „Esszimmer” werden soweit es die Möglichkeiten der Patienten zulassen, neu renoviert. Das Problem ist damit meiner Meinung nach nicht wirklich vom Tisch. Es kann vielleicht etwas nach hinten verschoben werden. Die wirtschaftlichen Probleme unserer Patienten treffen auch uns. Und nicht zu vergessen, die EU-Osterweiterung steht vor der Tür, sodass der Patient zu seinem polnischen Zahnersatz dann auch noch einen Zuschuss der Kasse erhalten wird. Vielleicht doch ein Narr, der da glaubt, nun brechen wieder goldene Zeiten an.

Dr. med. dent. Cornelia Gins

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