Fragestellung: Die Frühgeburt eines Kindes bedeutet für Eltern ein traumatisches Lebensereignis,
auf das sie sich häufig nicht vorbereiten können. Nur wenige Studien haben das Ausmaß
posttraumatischer Symptomatik von Müttern nach Frühgeburt erfasst. Dabei handelt es
sich bisher um Einpunktmessungen, prospektive Longitudinalstudien zum traumatischen
Erleben von Müttern nach Frühgeburt wurden in der wissenschaftlichen Literatur bisher
nicht publiziert. Ziel der Untersuchung ist es, das Ausmaß und den Verlauf posttraumatischer
Symptomatik von Müttern nach der Geburt eines sehr kleinen Frühgeborenen zu erfassen.
Methodik: Im Rahmen einer prospektiven Längsschnittuntersuchung wurden 50 Mütter, deren Kinder
vor der vollendeten 32. Schwangerschaftswoche und/oder mit einem Gewicht unter 1500g
geboren wurden zu drei Messzeitpunkten (1.-3. Tag pp, 14 Tage pp, 6 Monate pp und
14 Monate pp) untersucht. Die Messinstrumente bezogen sich auf die posttraumatische
Symptomatik (IES-R), die psychiatrische Diagnostik (SKID-Interview), sowie das Ausmaß
an Depressivität (BDI, MADRS) und Angst (STAI, HAMA). Als Kontrollgruppe diente eine
Gruppe von Müttern nach unkomplizierter Spontangeburt eines gesunden Kindes (n=30).
Ergebnisse: Die Mütter der Frühgeborenen gaben zu allen Messzeitpunkten signifikant höhere Werte
traumatischen Erlebens und depressiver Symptomatik an als die Mütter der Kontrollgruppe.
Dabei war für die Mütter der Frühgeborenen im Gegensatz zu den Müttern der Kontrollgruppe
auch 14 Monate pp keine signifikante Reduktion der posttraumatischen Symptomatik und
der Depressivität zu verzeichnen. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es sich bei der Situation einer Mutter nach
Frühgeburt um ein komplexes, über einen längeren Zeitraum andauerndes traumatisches
Geschehen handelt. Das hohe Ausmass an depressiver Symptomatik der hier untersuchten
Mütter weist auf die Belastung hin, die für eine Mutter mit der Geburt eines Frühgeborenen
einhergeht. Eine psychotherapeutische Begleitung einiger Mütter erscheint auch über
den Zeitraum unmittelbar nach der Geburt hinaus sinnvoll.
Key words
Frühgeburt - Trauer - posttraumatische Belastungsstörung