DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2004; 2(01): 28
DOI: 10.1055/s-2004-818832
Focus
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Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co.KG Stuttgart

Sturzgeburt und fasziales System

Rob Kwakman
Richard Wagner Ring 28, 76437 Rastatt
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Publication Date:
17 February 2004 (online)

"Die Faszie ist der Ort im Körper, an dem die Ursache von Krankheiten zu betrachten ist und sie ist der Ort an dem untersucht werden sollte und an dem die Behandlung der Krankheiten ansetzen sollte" (Still, 1902). Aber werden die Faszien auch direkt behandelt? Klassisch osteopathisch eher nicht, aber das wandelt sich. Dazu folgender CaseReport.

Patienten und Symptomatik

Patientin, 38 Jahre, Musikerin von Beruf, Querflöte und Klavier. Nach der Geburt ihres Sohnes, das zweite Kind, ständig LWS-Symptomatik mit ausstrahlenden Beschwerden ins li. Bein.

Anamnese. Sturzgeburt ihres Sohnes vor 5 Monaten. Seitdem LWS-Beschwerden. Ein Beschleunigungstrauma vor 4 Jahren, ohne Beschwerden. Verlauf der ersten Schwangerschaft samt Geburt und zweiten Schwangerschaft ohne Befund.

Kranial: Kopfschmerzen, Nase nachts zu, oft Angina, als Kind chron. Otitis media, Kieferknirschen nachts.

Viszeral: Sodbrennen, kalte Füße, Gallekrämpfe, Verdauung okay, aber Blähungen. Stillt noch voll.

Andere Gelenke: Stiche hinterm Sternum und Ziehen in Schultergürtel anterior bds.

Arbeitshypothese: Verlust der viszeralen Autonomie durch Sturzgeburt.


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Befunde

Kranial: SSB in Extension, Torsion rechts (parietal gesteuert), Ethmoid fixiert, keine Synchronizität Kranium-Sakrum, CRI Rhythmus 6/Minute, Amplitude okay, Kraft schwach.

Viszeral: allgemeine Ptose, das Zwerchfell mobilisiert die Organe, Leber hypertensiv, noch immer ein "Bäuchle" suprapubical.

Parietal: vertiefte Lenden- und Zervikallordose, FRS L2 rechts, HWS ERS C3


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Therapieansatz

1. Behandlung

Zuerst viszerale Behandlung und lumbale und zervikale Mobilisation. Die abdominale Tension ändert sich deutlich, aber keine Änderung der Statik, bzw. Schmerzen LWS. Kranial: Befund verbessert sich nach Behandlung nicht. Dann Aufnahme der faszialen Status: Pt. steht "nur" auf dem li. Bein, Oberkörper dreht nach rechts, Kopf nach links, die LWS wird nicht "belastet", Spannung/Kraft über Mm. psoas links > rechts zu den Hüften.

Therapieansatz: Behandlung der transversalen Diaphragmata im Körper zur Entspannung und weitere Diagnostik durch Folgen der Spannungsvektoren. Hier zeigt sich das Peritoneum als hypoton, das Mediastinum hyperton und das Zwerchfell als Barriere.

Behandlung:

  1. Peritoneum als fasziale Struktur stimulieren.

  2. Zwerchfell und Beckenboden

  3. Thorako-zervikale Diaphragma


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Ergebnis nach 1. Behandlung

Deutliche Verbesserung der Statik, LWS-Schmerzen weg. Kopfschmerzen stärker vorhanden. Behandlung des Ethmoids: Kopfschmerzen weg.


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2. Behandlung nach 4 Wochen.

LWS-Beschwerden 3 Wochen lang komplett verschwunden, jetzt wieder da, aber weniger. Kopfschmerzen und Nackenschmerzen nach Behandlung 2 Tagen unerträglich, danach wie weg. Freies Gefühl bei Bewegen. Blähungen verstärkt anwesend.

Behandlung: kranial nach Befund (SSB Torsion, Synchronizität, Ethmoid), viszeral nach Befund: großes Manöver und Dünndarm, parietal: Psoas li + re. mit Jones-Techniken, faszial: Mediastinum und transversale Diaphragmata.


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Ergebnis nach 2. Behandlung

Patientin kam nach 2 Monaten nochmals zur Behandlung nach Steißbeinsturz. Die ursprünglichen Beschwerden waren verschwunden. Blähungen sind je nach Essen verstärkt anwesend.

Diskussion. Die Ursache (Sturzgeburt) hat Kompensationen lokal viszeral und global im gesamten faszialen System ausgelöst. Das System war schon belastet mit einer früheren Schwangerschaft und Geburt und einem Schleudertrauma, das zwar symptomlos geblieben aber im kranialen Befund deutlich war. Auch die Nackenbeschwerden nach der ersten Behandlung könnte einen Hinweis darauf sein. Die ersten Behandlungsschritte konnten das fasziale System nicht aus der Dysfunktion lösen. Der fasziale Behandlungsansatz im zweiten Teil der ersten Behandlung brachte dann eine Reaktion des Gewebes. Hypertonus und Hypotonus konnten ausgeglichen werden. Neurodynamik und Hämodynamik wieder Funktion aufnehmen. Der Ansatz über das Ethmoid brachte letztendlich den Durchbruch. Hier werden die posteriore mediane Kette mit der anterioren medianen Kette verbunden (Falx cerebri - Septum nasi).

Fazit. Das fasziale System ist primär ein verbindendes System. Es muss aber bei massiven Impacts auf dem Körper selber Spannungsarbeit übernehmen. Befund und Behandlung sollen dann das gesamte fasziale System mit einbeziehen; parieto-faszial, kranio-faszial und viszero-faszial.


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