Rehabilitation (Stuttg) 2004; 43(1): 24-32
DOI: 10.1055/s-2004-818549
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Entwicklung eines Qualitätssicherungsprogramms für Physiotherapieschulen - Ergebnisse der ersten Qualitätsprüfungen

Evolution of a Quality Assurance Programme for Physiotherapy Schools - Results of the First Quality InspectionsB.  Kainz1 , B.  Schlag3 , W.  H.   Jäckel 1, 2
  • 1Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung, Bad Säckingen
  • 2Abt. für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
  • 3Interessenverband zur Sicherung der Qualität der Ausbildung an den deutschen Schulen für Physiotherapie, Düsseldorf
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Publication Date:
13 February 2004 (online)

Zusammenfassung

Der Interessenverband zur Sicherung der Qualität der Ausbildung an den deutschen Schulen für Physiotherapie - Qualitätssicherungsverband e. V. (ISQ) hat in Zusammenarbeit mit dem Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung e. V. (HRI) ein Qualitätssicherungsprogramm für die Physiotherapeutenausbildung entwickelt. Ziel ist es, die Qualität an deutschen Physiotherapieschulen zu prüfen und bei der Erfüllung definierter Kriterien ein Qualitätssiegel zu vergeben. Zur Bewertung der Schulen wurde zunächst ein Katalog von Qualitätsmerkmalen und -kriterien, die für die Physiotherapeutenausbildung relevant sind, zusammengestellt. Grundlage waren die Ergebnisse einer schriftlichen Befragung aller Physiotherapieschulen in Deutschland, einer Auswahl von niedergelassenen Physiotherapeuten und leitenden Physiotherapeuten in Kliniken, den zuständigen Behörden in den einzelnen Bundesländern sowie von Gruppendiskussionen in drei Schulklassen. Die von den angeschriebenen Personen genannten 360 verschiedenen Qualitätsmerkmale wurden in einem Katalog zusammengestellt und in einem mehrstufigen Delphi-Verfahren mit Experten überarbeitet und konsensuell abgesichert. Die endgültigen Kriterien wurden zu basalen Qualitätsanforderungen operationalisiert und als Checkliste formuliert. Die Prüfung der Qualitätskriterien in den Schulen erfolgt durch geschulte Visitatoren. Parallel dazu wird ein Schülerfragebogen zur Messung der Schülerzufriedenheit eingesetzt. Die Ergebnisse der Visitationen und der Schülerbefragungen werden den Schulen in einem Qualitätsbericht zurückgemeldet. Erfüllt die Schule alle basalen Qualitätsanforderungen, erhält sie das Qualitätssiegel. Die Gültigkeit des Qualitätsgütesiegels ist auf einen Zeitraum von drei Jahren beschränkt. Seit Januar 2003 ist das Verfahren bundesweit für alle Schulen geöffnet. Bis September 2002 wurden als Pretest in 31 Mitgliedsschulen des ISQ die ersten Visitationen und Schülerbefragungen durchgeführt. Die Qualitätsberichte zeigen, dass keine dieser Schulen auf Anhieb ein Qualitätssiegel erhalten würde. Insgesamt 10 der 42 Basiskriterien werden von über der Hälfte der Schulen nicht erfüllt. Gravierende Defizite bestehen bei der Dokumentation der Praktikumsbetreuung. Im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung ihrer Lehr- und Honorarkräfte haben mehr als zwei Drittel der besuchten Schulen noch Nachbesserungsbedarf. Einen schriftlichen Stoff- bzw. Lehrplan konnten nur 9 der 31 Schulen vorweisen. Auch die Anforderungen an die Lehrerkonferenzen oder die Ausstattung der Bibliotheken werden mehrheitlich nicht erfüllt. Ein grundsätzliches Problem stellt die mangelnde Dokumentation der Schulen in vielen Bereichen dar.

Abstract

In cooperation with the Hochrhein-Institute for Research in Rehabilitation (HRI), the Association for Assuring the Quality of Education in Physiotherapy Schools in Germany (ISQ) has developed a quality assurance programme for physiotherapy schools. It aims at assessing the quality of physiotherapy schools in Germany, and to award a quality seal based on compliance with defined criteria. First, a catalogue of quality features and criteria relevant for education in physiotherapy was developed. It is based on the analysis of questionnaires that had been sent to all German physiotherapy schools, to selected physiotherapists and leading physiotherapists in hospitals, to competent federal authorities, and to three school-classes with group discussions. The persons addressed named 360 different quality features. They were collected in a catalogue, revised in a multi-stage Delphi procedure, and approved consensually. The final criteria were transformed into basic quality requirements, and formulated as a check-list. Assessment of the quality features is carried out by trained visitors. In addition, the satisfaction of students is assessed with a questionnaire. The results of the interviews and the questionnaires are fed back to the schools in a quality report. Schools meeting all basic quality requirements are awarded the seal of quality. The seal is valid for three years. Since January 2003, this procedure is available for all schools in Germany. Until September 2002, a pretest of visitations and student questionnaires had been carried out with 31 member schools of the ISQ; according to the resulting quality reports, none of these schools would instantly be awarded the quality seal. In all, more than half of the schools do not meet 10 of the 42 basic criteria. Fundamental deficiencies have been found in the documentation pertaining to supervision of practical training. In terms of training, further training and professional development of their teachers and associated professors, needs for improvement could be shown in more than 66 % of all visited schools. Only 9 of 31 schools could produce a written syllabus. Additionally, the requirements of teachers conferences and equipment of libraries were not met by the majority. A general problem among the schools is inadequate documentation in many fields.

Literatur

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1 Der überwiegende Teil der Schulen ist privat organisiert. Aber auch staatlich geförderte Schulen verlangen immer häufiger einen finanziellen Zuschuss durch die Schüler. Das monatliche Schulgeld bewegt sich je nach Schule zwischen 0 und 500 Euro.

2 Zu Gütesiegeln in der beruflichen Bildung vgl. [5].

3 Die gesetzlichen Regelungen und Zuständigkeiten sind aufgrund der Kultushoheit in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich.

4 Nach der Adressliste des ZVK, Stand Januar 1999. In jeder Schule wurden der/die Schulleiter/in und weitere drei Lehrkräfte gebeten, einen Fragebogen auszufüllen.

5 Da die Zuständigkeiten der Behörden in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt sind, wurden die Kultus- bzw. Sozialministerien der Länder als übergeordnete Behörden befragt.

6 Ohne die Berliner Schulen.

7 Zur Liste der Qualitätskriterien siehe URL: www.isq-physio.de.

8 Damit „Ausreißer”-Meinungen das Ergebnis nicht zu stark verzerren, wurde der Median und nicht der Mittelwert der Expertenvoten gewählt.

9 Die Nummerierung hat sich nach der letzten Überarbeitung noch verändert. Ein Kriterium mit Unterpunkten wurde auseinandergezogen.

10 Schulen mit Qualitätssiegel werden unter der URL: www.isq-physio.de veröffentlicht.

11 Die Fragen zum Praktikum wurden für den 2. und 3. Jahrgang ausgewertet (n = 1170 Schüler).

12 Der mit dem Konfidenzintervall angezeigte Bereich bezeichnet die Ober- und Untergrenzen, innerhalb derer mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % der „wahre” Mittelwert liegt. Die großen Konfidenzintervalle signalisieren, dass die Verteilung stark um den Mittelwert streut.

Birgit Kainz

Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung e. V.

Bergseestraße 61

79713 Bad Säckingen

Email: kainz@hri.de

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