Aktuelle Dermatologie 2004; 30(1/02): 7
DOI: 10.1055/s-2004-814272
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Textilien - neue Entwicklungschancen für die Dermatologie

Textiles - New Developmental Changes for DermatologyP.  Elsner
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Publication Date:
03 March 2004 (online)

Die Kleidung ist die „2. Haut” des Menschen, ja eine anthropologische Größe: Indem der Mensch sich bekleidet, wird er unabhängiger von seiner Umwelt, so dass sein Lebensraum nicht auf enge Klimazonen beschränkt bleibt. Die Bekleidung schützt einerseits den Organismus und das Grenzorgan Haut, aber sie ist andererseits selbst gestaltete Umwelt und kann auch Haut und Organismus schädigen.

Dermatologen werden von Beginn ihrer Weiterbildung an mit den positiven und negativen Effekten von Bekleidung bekannt gemacht. Wenn wir Okklusion als therapeutisches Prinzip verwenden, so handelt es sich dabei letztlich um Effekte spezieller Bekleidung, ebenso wie bei den negativen Effekten von Wolltextilien auf die sensitive Haut des Atopikers.

Als Ärzte sehen wir selektiv und häufiger negative Wirkungen von Umweltfaktoren auf die Haut unserer Patienten; dies kann unsere Wahrnehmung verzerren. So sind Textildermatitiden und Allergien auf Textilfarbstoffe eine Realität, wie Bauer et al. in diesem Heft der Aktuellen Dermatologie belegen. Wichtigste Textilallergene sind p-Aminoazobenzol, gefolgt von Dispers Blau 106/124 und Dispers Orange. Die Häufigkeit von Textilfarbstoffallergien ist allerdings, in Anbetracht der Exposition der Bevölkerung, gering, da nur bei ca. 2,5 % der Patienten eine Testung wegen eines Verdachts auf eine Textilallergie durchgeführt wurde und von diesen wieder nur ein Bruchteil positiv reagierte.

Die weiteren Beiträge in diesem Schwerpunktheft dokumentieren neue therapeutische und präventive Chancen durch Textilien, die in der Dermatologie bisher nur marginal wahrgenommen wurden. So können, wie Knittel et al. aus Krefeld und Jena zeigen, moderne Biopolymer-Beschichtungen von Textilien deren Eigenschaften wesentlich erweitern. Cyclodextrine auf der Textiloberfläche können nicht nur unangenehme Gerüche absorbieren, sie können auch gezielt mit Wirkstoffen beladen werden, die bei Gebrauch langsam freigesetzt werden und etwa antimikrobiell oder barriereregenerierend wirken können. Auch die Entwicklung transdermaler therapeutischer Systeme auf der Basis modifizierter Textiloberflächen ist denkbar.

Ein mechanischer Faktor in der Genese von Ulzera, nämlich die Druckverteilung auf der Haut, wird durch Abstandsgewirke (neudeutsch: „Spacer Fabrics”) positiv verändert, wie Wollina et al. berichten. Ein Einsatz dieser Abstandsgewirke bei der Prävention von Dekubitalulzera oder des Malum perforans bei Patienten mit diabetischer Polyneuropathie bietet sich an.

Textilien könnten auch die Therapie und Prävention der Mykosen, insbesondere die der Tinea pedum, verbessern, so Sander und Elsner, einerseits durch direkte antimikrobielle Effekte, andererseits durch eine Verbesserung des Mikroklimas.

Allen diesen Entwicklungen gemeinsam ist, dass gute klinische Wirksamkeitsstudien bis auf Ausnahmen noch ausstehen. Es ist Aufgabe von uns Dermatologen, uns mit unserem klinischen Know-how in die Entwicklungen der modernen Textiltechnik aktiv einzubringen. Wir können so zum Nutzen unserer Patienten zu Innovationen beitragen, auf die unsere teilweise darniederliegende Textilindustrie und unser Land dringend angewiesen sind.

Prof. Dr. Peter Elsner, Jena

Prof. Dr. P. Elsner

Klinik für Dermatologie und Allergologie · Friedrich-Schiller-Universität

Erfurter Straße 35 · 07743 Jena

Email: elsner@derma.uni-jena.de

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