intensiv 2005; 13(2): 57-59
DOI: 10.1055/s-2004-813880
Intensivpflege

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pro und Kontra geschlossene Absaugung: Bewertung neuerer Literaturdaten

Hardy-Thorsten Panknin1 , Rolf Dubb2 , Markus Hekler2 , Arnold Kaltwasser3 , Matthias Trautmann4
  • 1Berlin
  • 2Klinikum Stuttgart
  • 3Klinikum am Steinenberg, Reutlingen
  • 4Institut für Krankenhaushygiene, Klinikum Stuttgart
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Publication History

Publication Date:
11 March 2005 (online)

Beatmungspneumonien treten im Laufe einer maschinellen Beatmung bei 10 - 50 % der Patienten auf. Das Risiko für den einzelnen Patienten hängt dabei von zahlreichen Faktoren ab. Im Besonderen die Grundkrankheit des Patienten, aber auch die Art und Dauer der Beatmung und die begleitenden medizinischen und pflegerischen Maßnahmen (u. a. Katecholamintherapie, medikamentöse Stressulkusprophylaxe und Lagerung) beeinflussen das Pneumonierisiko. Keimeinwanderungen in die Atemwege, z. B. durch Mikroaspirationen, können dann den Ausgangspunkt einer tracheobronchialen Besiedlung und Pneumonie darstellen.

Mit der Einführung geschlossener Absaugsysteme, die sich in vielen Intensivstationen vor ca. 5 - 7 Jahren durchgesetzt haben, schienen zwei Risiken gleichzeitig ausgeschaltet zu sein: Zum einen werden exogene Keimeinschleppungen in die Atemwege minimiert, zum anderen wird die beatmungsphysiologisch ungünstige Situation eines plötzlichen Druckverlustes in den Atemwegen vermieden. In-vitro-Studien zeigten allerdings recht bald, dass auch geschlossene Absaugkatheter an der Spitze mikrobiell besiedelt werden und dass daher eine Verwendung nur für maximal 48 Stunden vertretbar ist. Nach diesem Zeitraum müssen die Systeme unbedingt gewechselt werden. Ein Argument der Befürworter geschlossener Absaugsysteme ist jedoch, dass die Erreger, die sich an der Spitze der Katheter vermehren, aus den Atemwegen des Patienten stammen und diesen somit nicht zusätzlich gefährden.

Bisher existieren nur wenige Studien, in denen versucht wurde, eine Reduktion der Rate von Beatmungspneumonien unter geschlossener Absaugung nachzuweisen. Kürzlich wurden jedoch neue prospektive, randomisierte Studien veröffentlicht, in denen diese Fragestellung an großen Patientenkollektiven evaluiert wurde.

Eine bereits in ausführlicher Form veröffentlichte Arbeit stammt von Dr. A. Topeli u. Mitarb. von der Universitätsklinik in Ankara (Türkei) [1]. Die Studie fand im Zeitraum vom 1.4.2000 bis 31.8.2001 auf einer medizinischen Intensivstation statt. Eingeschlossen wurden alle neu aufgenommenen Patienten, bei denen eine maschinelle Beatmung für mehr als 48 Stunden durchgeführt werden musste und bei denen zum Studieneintritt noch keine Pneumonie vorlag. Ausgeschlossen wurden Patienten in der Sterbephase und Patienten mit Malignomen. Die Patienten erhielten nach Randomisierung entweder ein geschlossenes Absaugsystem (SteriCath, Sims Portex, USA), oder es wurde ein T-Stück zur offenen Absaugung zwischen Gänsegurgel und Beatmungsschläuchen angebracht. Bei allen Patienten wurden HME-Filter zur passiven Befeuchtung der Atemwege eingesetzt. Bemerkenswert war, dass die geschlossenen Absaugsysteme nicht routinemäßig, sondern nur bei sichtbarer Verschmutzung oder fehlender Saugleistung gewechselt wurden. Die Autoren geben nicht an, ob diese Vorgehensweise den Herstellerangaben des Katheters entsprach.

Die Ergebnisse der Studie sind aus Abb. [1] ersichtlich. Eine Reduktion der Pneumonierate konnte nicht erreicht werden, ebenso wenig konnte der mittlere Zeitraum bis zum Auftreten einer Beatmungspneumonie verlängert werden (7,7 Tage in der Gruppe mit offener Absaugung versus 8,1 Tage in der Gruppe mit geschlossener Absaugung). Abstrichkulturen vom Inneren der Beatmungsschläuche waren bei offener Absaugung in 13/22 Proben (59,1 %), bei geschlossener Absaugung in 16/20 Proben (80 %) positiv (Unterschied nicht signifikant, Tendenz jedoch zu Ungunsten der geschlossenen Absaugung). Betrachtete man die Verteilung der Erreger in den positiven Proben, so waren bei geschlossener Absaugung signifikant häufiger Acinetobacter spp. (36,7 versus 14,3 %) und Pseudomonas aeruginosa (30,0 versus 21,4 %) nachweisbar.

Abb. 1 Ablauf der Studie von Topeli et al.

Die vorliegende Studie zeigte somit im Ergebnis keinen signifikanten Unterschied der Pneumonierate zwischen den beiden, mit verschiedenen Absaugungssystemen behandelten Patientengruppen. Tendenziell kam es jedoch unter geschlossener Absaugung zu einer stärkeren mikrobiellen Besiedelung der Beatmungsschläuche. Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter spp. waren signifikant häufiger bei geschlossener Absaugung nachweisbar.

Über eine weitere Studie mit allerdings geringer Patientenzahl wurde aus einer Intensivstation des Universitätskrankenhauses von Sao Paolo, Brasilien, berichtet [2]. 24 Patienten wurden mit offener Absaugung, 23 mit geschlossener Absaugung behandelt. Die Risikofaktoren für eine Beatmungspneumonie wie Rauchen, Steroidbehandlung, Alkoholismus, Diabetes mellitus, vorbestehende Lungenerkrankung und APACHE-Score wurden in dieser Studie sehr sorgfältig erfasst und waren in den beiden Absaugungsgruppen gleich verteilt. 11/24 (45,8 %) Patienten mit offener Absaugung und 7/23 (30,4 %) mit geschlossener Absaugung entwickelten eine Beatmungspneumonie. Aufgrund der kleinen Fallzahl verfehlte dieser Unterschied im χ2-Test das Signifikanzniveau (p = 0,278). Bei Berechnung mittels logistischer Regression ließ sich jedoch ein statistischer Unterschied zugunsten der geschlossenen Absaugung errechnen (p = 0,014) [2].

Eine aktuelle Studie mit wesentlich größerer Patientenzahl wurde auf dem 17. Jahreskongress der European Society of Intensive Care Medicine im Oktober 2004 in Berlin vorgestellt und als Abstract publiziert. Die Studie wurde von Dr. L. Lorente u. Mitarb. im Zeitraum vom 1.10.2002 bis 31.12.2003 in der Universitätsklinik der Kanarischen Inseln in La Laguna, Teneriffa, durchgeführt. Es wurden insgesamt 443 Patienten, davon 210 mit geschlossener Absaugung und 233 mit offener Absaugung behandelt. Die Ergebnisse waren sehr ähnlich wie in der Topeli-Studie: Die Pneumonierate betrug 20,5 versus 18,0 % (Unterschied nicht signifikant), die Rate exogener Pneumonien - definiert als Pneumonie ohne vorherigen Nachweis des identischen Erregers im Mundhöhlenabstrich - betrug 0,95 versus 0,86 %. Die Kosten für geschlossene Absaugsysteme waren ca. 4fach höher als die für offene Absaugung [3].

Bei der Bewertung geschlossener versus offener Absaugsysteme sollten jedoch auch die Umweltkontamination durch Erreger aus der Trachea des Patienten sowie die Kontamination des Personals beim Absaugvorgang nicht außer Acht gelassen werden. In diesem Zusammenhang ist eine ältere Studie von Distler und Wille aus Gießen von Interesse. Diese Autoren untersuchten nur Patienten mit offener Absaugung, bei denen sie zuvor mikrobiologische Untersuchungen des Trachealsekrets durchführten. Unmittelbar nach der offenen Absaugung führten die Autoren Kontaktkulturen vom Oberkörper der Patienten und von den Händen des Personals durch. Sie konnten hierbei in ca. 10 % der Proben die Keime aus dem Trachealsystem des Patienten am Oberkörper des gleichen Patienten wiederfinden - vor allem an der linken Brustseite. In 16 % der Proben fanden sie die Keime aus der Trachea an den Händen, vor allem an der linken Hand des Personals wieder [4].

Literatur

  • 1 Topeli A. et al . Comparison of the effect of closed versus open endotracheal suction systems on the development of ventilator-associated pneumonia.  J Hosp Infect. 2004;  58 14-19
  • 2 Zeitoun S S, de Leite B arros ALB, Diccini S. A prospective, randomized study of ventilator-associated pneumonia in patients using a closed vs. open suction system.  J Clin Nurs. 2003;  12 484-489
  • 3 Lorente L. et al . Ventilator-associated pneumonia with a closed versus an open endotracheal suction system. 17th Annual Congress of the European Society of Intensive Care Medicine. Berlin, 10 - 13 October 2004. Abstract No. 441. 
  • 4 Distler R, Wille B. Untersuchung zur Keimverbreitung beim offenen endotrachealen Absaugen.  Krankenhaushygiene und Infektionsverhütung. 1998;  20 180-185

H. T. Panknin

Freier Medizinjournalist

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Email: ht.panknin@worldonline.de

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