intensiv 2004; 12(4): 192-194
DOI: 10.1055/s-2004-813242
Recht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Bundesärztekammer hat ihre „Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung” neu gefasst und am 4. Mai 2004 der Öffentlichkeit vorgestellt

W. Schell1
  • 1Neuss
Further Information

Publication History

Publication Date:
08 July 2004 (online)

Die Diskussion um eine straffreie Zulassung aktiver Sterbehilfe in Deutschland wird immer lebhafter geführt. Erst Anfang April 2004 wurde eine Initiative von Bundestagsabgeordneten bekannt, die eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe zum Ziel hat. Auch die Euthanasie-Gesetzgebung in den Nachbarländern Niederlande und Belgien und die aktuelle Debatte über die Sterbehilfe im Europarat haben die Problemstellung deutlich vor Augen geführt.

Die Ärzteschaft in Deutschland, vertreten durch die Bundesärztekammer, lehnt Sterbehilfe im Sinne einer gezielten Tötung auf Verlangen mit Entschiedenheit ab.

Die Bundesärztekammer hat die Ablehnung der aktiven Sterbehilfe in ihren im Jahre 1998 herausgegebenen „Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung” unmissverständlich ausgeführt. Seitdem sind insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen neue Rahmenbedingungen geschaffen worden. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesärztekammer intensiv über eine Novellierung der „Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung” beraten und die überarbeiteten „Grundsätze” am 5. Mai 2004 der Öffentlichkeit vorgestellt.

Bei der Vorstellung der „Grundsätze” (2004) wurde vom Präsidenten der Bundesärztekammer u. a. ausgeführt:

„Jeder Mensch hat das Recht auf Leben und auf ein Sterben in Würde - nicht aber das Recht, getötet zu werden. Ein einklagbares Recht auf aktive Sterbehilfe wäre zwar vermeintlich die ultimative Verwirklichung des Rechts auf Selbstbestimmung, doch von da aus ist der Weg nicht mehr weit in eine Gesellschaft, die den Menschen den Tod nahe legt, wenn sie mit dem Leben nicht mehr zurechtkommen.

Jeder Patient muss sich zu jeder Zeit sicher sein, dass Ärztinnen und Ärzte konsequent für das Leben eintreten und weder wegen wirtschaftlicher, politischer noch anderer Gründe das Recht auf Leben zur Disposition stellen. Diese Sicherheit ist nur zu garantieren, wenn Ärztinnen und Ärzte aktive Hilfe zum Sterben, also eine gezielte Lebensverkürzung durch Maßnahmen, die den Tod herbeiführen, kategorisch ablehnen. Welcher Missbrauch mit dem angeblichen Wunsch nach einem selbstbestimmten Tod getrieben wird, kann man an der Euthanasie-Praxis in den Niederlanden erkennen, wo inzwischen laut über eine Gesetzesverschärfung nachgedacht wird. Denn bei etwa einem Drittel dieser Fälle ist das ausdrückliche Verlangen der Betroffenen nach Sterbehilfe zweifelhaft. Mittlerweile ist das Vertrauen der älteren holländischen Bürger in diese Praxis so zerstört, dass viele so genannte Lebenswunscherklärungen mit sich führen, Erklärungen, die sich expressis verbis gegen aktive Sterbehilfe richten.

Wir sehen die ärztliche Aufgabe in der Betreuung und Hilfe todkranker Patienten, das heißt in der Sterbebegleitung. Leiden zu lindern und Angst zu nehmen, um damit ein selbstbestimmtes, würdevolles Lebensende zu ermöglichen - das ist der ärztliche Auftrag.

Die ärztliche Hilfe besteht dabei in palliativ-medizinischer Versorgung und damit auch in Beistand und Sorge für Basisbetreuung. Art und Ausmaß einer Behandlung sind gemäß der medizinischen Indikation vom Arzt zu verantworten. Er muss dabei den Willen des Patienten beachten. In Übereinstimmung mit dem Patienten dürfen Maßnahmen zur Verlängerung des Lebens unterlassen oder nicht weitergeführt werden, wenn diese nur den Todeseintritt verzögern und die Krankheit in ihrem Verlauf nicht mehr aufgehalten werden kann. Bei Sterbenden kann die Linderung des Leidens so im Vordergrund stehen, dass eine möglicherweise dadurch bedingte unvermeidbare Lebensverkürzung hingenommen werden darf. Dies ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einem gezielten Behandlungsabbruch oder gar einer Tötung auf Verlangen.

Bei einwilligungsunfähigen Patienten ist die in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachte Ablehnung einer Behandlung für den Arzt bindend, sofern die konkrete Situation derjenigen entspricht, die der Patient in der Verfügung beschrieben hat, und keine Anhaltspunkte für eine nachträgliche Willensänderung erkennbar sind. Das muss für Ärzte der Schlüssel zur Ermittlung des Patientenwillens sein.

Die derzeitige Diskussion würde wohl anders laufen, wenn bekannter würde, dass die moderne Palliativmedizin schon heute in der Lage ist, Schmerzen und andere Symptome auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und damit unnötiges Leid zu verhindern. Deshalb ist nicht so genannte aktive Sterbehilfe, also Euthanasie, sondern der rückhaltlose Schutz chronisch kranker, behinderter und pflegebedürftiger Patienten sowie die adäquate menschliche und medizinische Begleitung Sterbender ärztliche Aufgabe und Verpflichtung.”

Nachfolgend werden die überarbeiteten „Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung” in ihrer aktuellen Fassung vollständig vorgestellt.

Werner Schell

Harffer Str. 59

41469 Neuss

Email: team@wernerschell.de

URL: http://www.gesetzeskunde.de

    >