intensiv 2004; 12(1): 1
DOI: 10.1055/s-2004-812803
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Further Information

Publication History

Publication Date:
21 September 2005 (online)

wir wünschen Ihnen ein gutes neues Jahr und bedanken uns für Ihre Treue zur „intensiv”.

In der letzten Ausgabe des vergangenen Jahres haben wir im Editorial auf das neue Krankenpflegegesetz, welches ab Januar 2004 in Kraft trat, hingewiesen und aus Sicht der Intensivpflege kritisch kommentiert.

In diesem Editorial möchten wir Ihr Augenmerk auf eine weitere, vielleicht für die Intensivpflege noch zentralere Veränderung lenken. Wir sind mit dem Jahr 2004 endgültig im DRG-Zeitalter in Deutschland angekommen. Die bisherige Mischung der Finanzierung aus Pflegesätzen, Fallpauschalen und Sonderentgelten wird ersetzt durch ein auf (medizinischen) Diagnosen basierendes Patientenklassifikationssystem  bzw. Fall­pauschalensystem. Über die DRGs wurde und wird viel geschrieben, publiziert und diskutiert. Je nach Interesse werden von diesem neuen Vergütungssystem Einsparungen und zugleich Qualitätssteigerungen erwartet, andere sind mit Blick auf ausländische Erfahrungen bescheidener und gehen nicht mehr von einer Senkung der Kosten durch die DRGs aus. Und wieder andere befürchten gar einen Anstieg der Kosten und eine Verschlechterung der Versorgung. Für keine dieser Positionen gibt es gesicherte Erkenntnisse unter den Rahmenbedingungen des deutschen Gesundheitssystems [1].

Allerdings haben Braun und Müller, Forscher des „Zentrums für Sozialpolitik” (ZeS) in Bremen ([1], vgl. [2]), die Auswirkungen der seit 1996 eingeführten Fallpauschalenvergütung untersucht, die immerhin bei einem Viertel der Krankenhausfälle Anwendung fand. Ein genauer Blick auf die Ergebnisse zeigt,

dass die kürzeren Liegezeiten der Fallpauschalenpatienten Folge einer „qualitativen Selektion von Anlässen” sind, da vor allem ausgewählte und unkomplizierte Indikationen und Behandlungen mit Fallpauschalen vergütet wurden, und dass auch ohne Fallpauschalen ein Trend zur Verkürzung der Liegezeiten existiert; dass „die Vergütungsform keine systematisch und quantitativ bedeutsame Rolle für die Beurteilung der empfundenen Pflegequalität spielt”, sondern dass sich als wesentliche Faktoren für die Qualität die Kooperation von Ärzten und Pflegepersonal, die Mitbestimmungsmöglich­keiten der Patienten im Krankenhaus und die Informiertheit der Ärzte erwiesen; und dass die Rate der Rehospitalisierungen (Drehtüreffekt) seit Einführung der Fallpauschalen 1996 gestiegen ist 1.

Ähnliche Effekte erwarten die Autoren auch von den DRGs. Befragungen unter Pflegenden, die in den schon mit DRGs praktizierenden Krankenhäusern arbeiten, kommen zu überwiegend negativen Einschätzungen. So wird von einer Verschlechterung des Arbeitsklimas, der Motivation und des Umgangs mit dem Patienten berichtet.

Was bedeutet das für die Intensivpflege? In welchen Bereichen müssen verstärkt und zügig Aktivitäten entwickelt werden? Stichwortartig zu nennen wären (u. a.):

Forschungsanstrengungen zu pflege­rischen Diagnose- und Klassifikationssystemen und zu pflegerischen Assessmentinstrumenten, da die Dauer pflegerischer Leistungen nicht von der Art der Intervention, sondern primär durch den Zustand des Patienten (seine Pflegebedürftigkeit = Pflegedi­agnose) bestimmt wird 3; ein verbessertes internes Qualitätsmanagement auf den einzelnen Stationen, welches vor allem auch die Erlebnis- und Beziehungsqualität in den Mittelpunkt stellt, da funktionierende Beziehungen und Interaktionen ein wesentliches Qualitätsmerkmal sind (diese Erkenntnis ist in anderen Pflegebereichen schon angekommen und wird in entsprechenden Qualitätsansätzen berücksichtigt (vgl. 4); anknüpfend an unser letztes Editorial eine Qualifizierungsoffensive der Pflege, die den Bereich der Intensivpflege nicht vernachlässigt und schon gar nicht hinter erreichte Standards der Weiterbildung zurückfällt; und eine starke und gebündelte Vertretung der Interessen der (Intensiv-)Pflegenden auf der gesundheits- und sozialpolitischen Ebene, damit Pflege auch im DRG-Zeitalter nicht zum Spielball der Interessen anderer wird.

Die Herausgeber

Literatur

  • 1 Braun B, Müller R. Diagnosis Related Groups. Vergütungsformen und Qualität stationärer Versorgung.  Dr Med Mabuse. 2004;  147 22-25
  • 2 Braun B, Müller R. Auswirkungen von Vergütungsformen auf die Qualität der stationären Versorgung. St. Augustin; 2003
  • 3 Bartholomeyzcik S, Hunstein D. Die Messung von Pflegezeiten - methodische und inhaltliche Probleme.  Pflege. 2001;  14 259-266
  • 4 Ackermann S. Qualitätsmanagement in kleinen Einrichtungen nach dem GAB-Verfahren. München; 2003
    >