Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 153
DOI: 10.1055/s-2003-816556

Präoperative Sprachlateralisation mittels fMRT: Durchführbarkeit und Validität eines semantisch-perzeptuellen Designs

J Wellmer 1, S Weis 1, J Reul 1, DB Linke 1, CE Elger 1, M Kurthen 1, G Fernández 1
  • 1Bonn, Nimwegen

Kontrastiert mit perzeptuellen Aufgaben, aktivieren semantische Entscheidungsaufgaben reliabel sowohl rezeptive als auch expressive Sprachareale. Sie sind somit gut für präoperative Sprachlateralisationen mittels fMRT geeignet. In der aktuellen Studie wird die klinische Durchführbarkeit und Validität dieses Ansatzes an einem großen, unselektierten Patientenkollektiv mit therapieresistenten Epilepsien geprüft. 145 Patienten (m/w 72/73, Alter 15–65 Jahre) wurden seit Januar 2000 im Rahmen der prächirurgischen Epilepsiediagnostik fMRT-basiert untersucht. Verwandt wurden Semantischer Wortpaarvergleich vs. Buchstabenreihenvergleich. Blockdesign. 1,5 T-Standard-MR, T2*-EPI-Sequenz (16 axiale Schichten à 6mm, 0,6mm Abstand, 64×64 Matrix, FOV 220mm, TE 50 ms, TR 3125 ms). Statistische Analyse mit individuellen, objektiv bestimmten Schwellenwerten. Standardisierte Bestimmung dreier Parameter für jeweils drei Volumes of interest; Broca, präfrontal und parietotemporal: 1. Lateralisationsindex (LI, t-Wert gewichtet), 2. Stärke der Aktivierung (mittlerer T-Wert) und 3. Ausdehnung der Aktivierung (Anzahl der überschwelligen Voxel). Validierung: mittels Wada-Test bei 38 Patienten. – Eine automatisierte Auswertung war bei sieben Patienten nicht möglich (große Läsionen, Bewegungsartefakte), zwei Patienten waren non-compliant. Von den schließlich ausgewerteten 136 Datensätzen zeigten sechs in mindestens einem Volume of interest eine nur geringe Aktivierungsstärke (<35% eines Normkollektivs) und wurden daher nicht befundet. Somit führten 130 der 145 Untersuchungen (90%) zu aussagekräftigen Befunden. Bei allen Patienten mit fMRT-LI zwischen 0,75 und 1 für alle Volumes of interest (n=12/38) bestätigte der Wada eine linkshemisphärische Dominanz sprachlicher Funktionen. Wada-Hinweis auf zusätzliche kontralaterale expressive/rezeptive Sprachfunktionen ergaben sich hierbei in einem bzw. 3 von 12 Patienten. fMRT-LI unterhalb 0,75 erlauben keine sichere Korrelation mit Wada-Ergebnissen. Das genutzte Design lässt sich bei der überwiegenden Mehrzahl der Epilepsiepatienten einfach durchführen. Ein klarer, links-dominanter Befund spricht mit hoher Validität für eine linkshemisphärische Sprachdominanz und kann in dieser Gruppe von Patienten den invasiven Wada-Test ersetzen. Unklare oder rechts-lateralisierte fMRT-Befunde erscheinen bislang wenig valide. Hier bleibt der Wada-Test zunächst unverzichtbar.