Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 145
DOI: 10.1055/s-2003-816548

Effekt von Botulinumtoxin auf Muskelspindeln

PP Urban 1
  • 1Mainz

Botulinumtoxin bewirkt auch ohne nennenswerte Paresen eine deutliche Besserung fokaler Dystonien. Wir untersuchten, ob diesem Effekt eine verminderte Muskelspindelaktivierung zugrunde liegt. In einer Studie an 20 Probanden und 10 Patienten mit Torticollis spasmodicus untersuchten wir das Ausmaß der Fazilitation eines transkraniell magnetisch evozierten Testreizes (TMS) zum M. sternocleidomastoideus durch einen Vibrationsreiz von 85Hz. Bei allen Patienten wurde der M. sternocleidomastoideus unilateral mit Botulinumtoxin behandelt. Die magnetisch evozierten Potenziale wurden vom entspannten M. sternocleidomastiodeus abgeleitet. Bei den Probanden kam es unter Vibration zu einer Fazilitierung der Amplitude und Fläche der magnetisch evozierten Potenziale um 258% bzw. 233% (Median). Bei den Patienten unterschied sich die Fazilitation des unbehandelten und des betroffenen M. sternocleidomastoideus (prä Botulinumtoxin) nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Beim Botulinumtoxin-behandelten M. sternocleidomastoideus kam es zzt. der maximalen Botulinumtoxin-Wirkung zu einer signifikant verminderten Fazilitation gegenüber der Kontrollgruppe (p<0,002), dem nicht-behandelten M. sternocleidomastoideus (p=0,004) und gegenüber der prä-Botulinumtoxin Untersuchung (p<0,005). Mikroneurographische Ableitungen zeigten, dass Vibrationsreize eines Muskels über eine Muskelspindelaktivierung die Entladungsrate der Ia-Afferenzen erhöhen. Vibrationsreize der Muskulatur führen zur Fazilitation eines TMS-Testreizes. Das Ausmaß der Fazilitation einer TMS-Antwort durch Vibration lässt sich daher als Funktion der Muskelspindelaktivität interpretieren. Wir konnten nachweisen, dass Botulinumtoxin eine verminderte Fazilitation der magnetisch evozierten Potenziale unter Vibration zur Folge hat, vereinbar mit einer verminderten Muskelspindelaktivität durch Botulinumtoxin.