Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 123
DOI: 10.1055/s-2003-816526

Normale Ereignis-korrelierte Desynchronisation bei Patienten mit Schreibkrampf vor und während einer dystonen Schreibbewegung

D Ruge 1, KR Kessler 1, U Ziemann 1
  • 1Frankfurt/M

Thalamo-kortikale Zuflüsse führen zu Veränderungen der oszillatorischen Eigenschaften des Kortex. Ein Maß hierfür sind Bewegungs-korrelierte Änderungen der spektralen Leistung wie die Ereignis-korrelierte Desynchronisation. Eine wichtige Hypothese zur Pathophysiologie von Dystonien ist eine abnorme Aktivität in der Basalganglien-thalamo-kortikalen Schleife. In dieser Studie wurde untersucht, ob sich bei der Vorbereitung einer Bewegung, die eine dystone Fehlaktivierung auslöst, Auffälligkeiten der Ereignis-korrelierten Desynchronisation zeigen. Untersucht wurden 11 rechtshändige Schreibkrampfpatienten (8 einfache, 3 dystone) im Vergleich zu 9 gesunden Kontrollpersonen, die 100–150 spontane Schreibbewegungen eines Buchstaben (Schreibschrift „I“) in Abständen von ca. 10s ausführten. Abgeleitet wurden ein digitales EEG von 56 Skalpelektroden sowie ein 4-Kanal-EMG und Akzelerometrie der Schreibhand. Die Daten wurden „off-line“ segmentiert (je 2,5s vor und nach Beginn der Bewegung) und in üblicher Weise die Ereignis-korrelierte Desynchronisation analysiert. Dabei wurden die Frequenzbänder 10–12Hz α und 17–23Hz β untersucht. Bei den Patienten zeigten sich in unterschiedlicher Ausprägung dystone Fehlstellungen der Hand- und Unterarmmuskulatur. In beiden Frequenzbändern begann die Ereignis-korrelierte Desynchronisation im kontralateralen sensomotorischen Kortex (C3) etwa 1,8s vor Beginn der Bewegung und erreichte ihr Maximum mit bis zu 50% Reduktion der Leistung kurz nach Beginn der Bewegung. Es fanden sich keine Unterschiede in Zeitgang, Amplitude oder Topographie (räumlicher Ausdehnung) der Ereignis-korrelierten Desynchronisation zwischen Patienten und Kontrollpersonen. Im Gegensatz zu der kürzlich berichteten verminderten Ereignis-korrelierten beta-Desynchronisation bei Schreibkrampfpatienten während einer einfachen Fingerextension konnten wir keine Unterschiede der Ereignis-korrelierte Desynchronisation vor und während einer Schreibbewegung zwischen Patienten und Kontrollen nachweisen. Unsere Daten zeigen, dass die der Ereignis-korrelierten Desynchronisation zugrunde liegenden Mechanismen bei Schreibkrampfpatienten vor und während einer dystonen Bewegung nicht pathologisch verändert sind. Dies könnte darauf hinweisen, dass die Modulation von Oszillationen im Motorkortex durch die Zuflüsse aus Basalganglien und Thalamus bei fokalen Dystonien intakt ist.