Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 121
DOI: 10.1055/s-2003-816524

Funktionelle volumetrische Bildgebung für die Motokortex-Stimulation bei Patienten mit chronisch therapierefraktären Schmerzen

SK Rosahl 1, A Gharabaghi 1, D Hellwig 1, HJ Freund 1, M Samii 1, R Shahidi 1
  • 1Hannover, Palo Alto

Patienten mit chronisch therapieresistenten Schmerzen können von einer unterschwelligen Stimulation des Motokortex über epidurale Elektroden profitieren. Voraussetzung dazu ist eine exakte Platzierung der Elektrodenträger über dem Gyrus praecentralis. Funktionelle MRT-Aufnahmen ermöglichen inzwischen eine relativ gute Lokalisation. Zusätzlich ist eine intraoperative Probe-Stimulation am wachen Patienten unerlässlich. Unsere ersten Erfahrungen mit einer Navigations-Software zur volumetrischen Bildgebung während der Platzierung der Elektroden geben Anlass zu verhaltenem Optimismus bezüglich einer wirklich neuartigen, dreidimensionalen Echtzeitdarstellung mit Blick durch transparente Oberflächen auf tiefe Strukturen. Strukturelle MRT wurden in einem Standardmodus zur Navigation (T1 gewichtet, MPRAGE, Schichtabstand 1mm) gewonnen. Ein 3-Tesla-Gerät (Allegra, Siemens) wurde zur Akquisition funktionelle Aufnahmen (BOLD) während Hand- und Beinbewegungen eingesetzt. Alle Daten wurden über ein lokales Netzwerk im DICOM-Format an ein Navigationssystem transferiert (Image Guidance Laboratories, Stanford University, Palo Alto, California). Danach erfolgte eine Überlagerung der funktionellen Informationen auf die strukturellen MRT-Datensätze. Ein Segmentierungsalgorithmus auf volumetrischer Basis lieferte innerhalb weniger Minuten ein dreidimensionales Bild des Kopfes und der Oberflächenstruktur des Kortex inklusive der Lokalisation des Gyrus praecentralis und oberflächlichlicher rolandischer Venen. Mittels Transparenzverfahren („look through“) wurden diese Strukturen direkt auf die Kopfhaut aufgezeichnet, so dass ein individuell maßgeschneiderter, minimal invasiver Zugang erfolgen konnte. Die Position der quadripolaren Elektrode wurde mittels Navigationspointer anhand des 3D-Bildes justiert. Die elektrische Probestimulation erfolgte unter kontinuierlicher Erfassung motorisch evozierter Potenziale. Die exakte Positionierung der Kraniotomie über der perirolandischen Region und dem Gyrus praecentralis war durch die bildgestützte Navigation unproblematisch. Volumetrische 3D-Datensätze erwiesen sich als vorteilhaft für das Auffinden und gleichzeitige mentale Erfassen der individuellen kortikalen Anatomie und Funktion (z.B. Handareal). Die präzise Ausrichtung der Elektroden wurde durch elektrische Stimulation mit leicht überschwelliger Reizung der motorischen Rindengebiete gesichert. Anschließen konnte die initiale Einstellung der Stimulatorparameter in Abhängigkeit von deren schmerzdämpfenden Effekt bei gleichzeitiger Ausschaltung von motorischen Nebeneffekten. Die drei bisher durchgeführten Eingriffe verliefen komplikationslos. Die Platzierung epiduraler Elektroden zur Motokortex-Stimulation wird durch die dreidimensionale volumetrische Neuronavigation mit funktionellen Daten beträchtlich erleichtert. Die Kombination mit der intraoperativen elektrischen Stimulation und kontinuierlichem Monitoring motorisch evozierter Potenziale bei einem wachen Patienten bildet eine solide Basis für die sichere und effektive Elektrodenplatzierung über dem Motokortex bei ausgewählten Patienten mit therapieresistenten, neuropathischen Schmerzsyndromen.