Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 107
DOI: 10.1055/s-2003-816510

Effekte niederfrequenter repetitiver TMS auf das Lernen komplexer Fingersequenzen

C Plewnia 1, J Markert 1, C Gerloff 1
  • 1Tübingen

Die repetitive TMS wird zunehmend als experimentelle Behandlungsform bei unterschiedlichen neurologischen und psychiatrischen Störungen eingesetzt. Als ein zugrundeliegender neurophysiologischer Mechanismus gilt dabei die gezielte Modulation kortikaler Aktivität, die als kortikale Erregbarkeit mittels TMS messbar ist. Nach niederfrequenter repetitiver TMS (~1Hz) wurden bisher überwiegend exzitabilitätsreduzierende Effekte beobachtet. Neuere Studien werfen jedoch die Frage der Fokalität dieses Verfahrens auf. Untersuchungen am Modell des primären Motorkortex (M1) zeigten beispielsweise entgegengesetzte (disinhibitorische) Effekte der repetitiven TMS auf das homologe, nicht stimulierte Areal („remote effects“). Mit der hier vorgestellten Untersuchung wurde geprüft, ob und welchen Einfluss die repetitive TMS des M1 auf die Effektivität des Trainings komplexer Fingersequenzen hat, und ob sich die Effekte der ipsi- (links, „li“) bzw. kontralateralen (rechts, „re“) Stimulation des M1 unterscheiden. In einer kontrollierten Pilotstudie im Cross-over Design (n=12, Rechtshänder) wurde die Wirkung niederfrequenter repetitiver TMS (M1 re/li, 120% motorische Schwelle, 1Hz, 30min) bzw. peripherer elektrischer Stimulation („per“) des N. Medianus (li) auf das unmittelbar folgende Lernen komplexer Fingersequenzen (linke Hand) untersucht. Während 3 Sitzungen wurden nach 30min Stimulation (li, re oder per) nacheinander jeweils 7 verschiedene, an 4 Stellen veränderte Sequenzen auf einem Monitor präsentiert und je 10 Mal gespielt. Die Zunahme der Geschwindigkeit während der 10 Durchgänge entsprach dabei dem Lerneffekt. Die Reihenfolge der Stimulationsbedingung wurde balanciert randomisiert. Kontra- (re) und ipsilaterale (li) repetitive TMS führten – verglichen mit peripherer Stimulation (per) – zu besseren Lerneffekten (ANOVA; p<0,001) und einem größeren Lernerfolg (Geschwindigkeit der letzten 3 Trainingsdurchgänge, t-Test, re/per: p<0,001; li/per: p<0,01; re/li: p=0,8). Niederfrequente repetitive TMS M1 könnte sich demnach günstig auf motorisches Lernen auswirken. Unterschiede zwischen den Effekten der Stimulation des ipsi- und kontralateralen M1 finden sich nicht. Hypothesen zu den zugrundeliegenden neurophysiologischen Mechanismen werden gegenwärtig durch weitere Kontrollexperimente geprüft.