Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 91
DOI: 10.1055/s-2003-816494

Propofol bei posthypoxischem Status myoclonicus

M Nagel 1, A Ferbert 1
  • 1Kassel

Myoklonien nach Hypoxie können sich selten bis zu einem Status myoclonicus mit multifokalen, generalisierten oder auch nur auf das Gesicht beschränkten Myoklonien ausweiten. Die Behandlung gestaltet sich häufig schwierig, Antiepileptika sind oft unwirksam. In der Literatur existieren bislang nur wenige, widersprüchliche Beispiele über die Behandlung von epileptischen Staten mit Propofol. Die 52-jährige Patientin wurde wegen einer depressiven Episode mit Suizidalität in eine Psychiatrische Klinik aufgenommen. Kurz nach der Aufnahme wurde sie erhängt aufgefunden. Nach einer zweiminütigen Reanimation war sie tachykard mit einem systolischen Blutdruck von 90mm Hg. Im weiteren wurde die Patientin durch den Notarzt intubiert und auf die Intensivstation gebracht. In den folgenden Tagen blieb sie tief komatös. Bis auf eine intakte Pupillenreaktion fehlten die Hirnstammreflexe. Die AEP waren beiderseits normal, im Medianus-SEP ließen sich jedoch beidseits keine kortikalen Potenziale (N20) ableiten. Das initiale CT zeigte nur geringe periventrikuläre Marklagerhypodensitäten. Wir stellten die Diagnose einer hypoxischen Enzephalopathie. Die Patientin bot bereits am Abend des Aufnahmetages multifokale, zum Teil stimulussensitive Myoklonien, die sich in den folgenden Tagen bis zum Status myoclonicus verstärkten. Das EEG zeigte dabei kontinuierlich rhythmische steile Potenziale ohne Seitenbetonung. Durch Muskelrelaxaktion mit 50mg Rocuronium sistierten die Muskelkontraktionen, die sich auch im EEG als Artefakte dargestellt hatten. Nach Gabe von Propofol 2% (3ml Bolus) wurde die epileptische Aktivität im EEG prompt unterbrochen und ein Burst suppression-Muster trat auf. Nach Absetzen von Propofol zwecks klinischer Beurteilung der Patientin traten die Myoklonien regelhaft wieder auf. Langfristig behandelten wir mit Piracetam. Bei Verlegung in eine Reha-Einrichtung nach 7 Wochen war sie apallisch und hatte unter 2,4g Piracetam nur noch vereinzelte Myoklonien im linken Arm. Durch Propofol können posthypoxische Myoklonien gut kontrolliert werden. Die Wirkung dieses, wie auch verschiedener anderer Hypnotika erfolgt über den GABAa-Rezeptor. Nachdem in der Literatur auch exzitatorische Wirkungen von Propofol beschrieben wurden, spricht unser Bericht – wie auch die positiven Erfahrungen im Status epilepticus – für eine weitgehende inhibitorische Wirkung.