Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 88
DOI: 10.1055/s-2003-816491

Wissenszuwachs durch intraoperative Mikroelektrodenableitungen am Menschen?

CKE Moll 1, AK Engel 1
  • 1Hamburg

Bereits in der Prä-Levodopa-Ära wurden im Rahmen von stereotaktischen Operationen an Tiefenstrukturen des menschlichen Gehirns Mikroelektrodenableitungen auf hohem Niveau durchgeführt. Seit jeher verknüpft sich mit Mikroelektrodenableitungen neben der erwünschten intraoperativen Ergänzung der Zielpunktbestimmung die Hoffnung, wichtige Einsichten in die Pathophysiologie der Basalganglienerkrankungen (und damit Hinweise auf eine verbesserte Diagnostik/Therapie) zu gewinnen. Welchen Wissenszuwachs erbrachte und erbringt die Integration von Mikroelektrodenableitungen in die stereotaktische Neurochirurgie? Kann man mittels intraoperativer Mikroelektrodenableitungen aktuelle, im wesentlichen aus Tierexperimenten gewonnene Hypothesen am Patienten testen? Es werden verschiedene Ergebnisse gezeigt, die mittels moderner Multielektroden- und Tetrodenableitungen an bewegungsgestörten Patienten (Morbus Parkinson, Zielpunkt Nucl. subthalamicus; Dystonie, Zielpunkt: Globus pallidus internus; Tremor, Zielpunkt: Nucl. ventralis intermedius thalami) gewonnen wurden. Unsere Untersuchungen konzentrieren sich auf die Analyse zeitlicher Interaktionsmuster einzelner Neurone bzw. ganzer Nervenzellverbände. Die weithin verwendete Multielektrodenkonfiguration mit 5 Einzelelektroden im Abstand von 2mm (z.B. Leadpoint-System; Fa. Medtronic) gestattet zusätzlich zu der verbesserten lokalisatorischen Information die Untersuchung weitreichender interneuronaler Interaktionen. Intraoperative Multifaser-Tetrodenableitungen (Abstand der einzelnen Elektrodenkontakte ca. 30 Mikrometer; TREK-Scanner, Fa. Thomas Recording) sind demgegenüber in besonderem Maße für die Klärung der Frage geeignet, wie sich die Interaktionen unmittelbar benachbarter Neurone gestaltet. Unsere Ergebnisse zeigen hier eine gegenüber konventionellen Einzelelektrodenableitungen deutlich gesteigerte Ausbeute und Reliabilität der Separation einzelner Zellen. Die Untersuchung der Interaktionsmuster lässt darauf schließen, dass (i) der Entladungscharakter einzelner Neurone während der Aufzeichnung dynamisch variiert (zeitlicher Wechsel modulierter vs. unmodulierter Autokorrelogramme) und (ii) selbst kurzreichweitige neuronale Interaktionen in den einzelnen Kerngebieten selten sind (angezeigt durch unmodulierte Kreuzkorrelogramme).