Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 84
DOI: 10.1055/s-2003-816487

Topodiagnostische Bedeutung der Hirnstammreflexe: Update unter Verwendung einer neuen Methode des dreidimensionalen Hirnstamm-Mappings

JJ Marx 1, GD Iannetti 1, F Thömke 1, S Fitzek 1, PP Urban 1, P Stoeter 1, G Cruccu 1, M Dieterich 1, HC Hopf 1
  • 1Mainz, Rom, Jena

Wir verwendeten eine neue Methode des dreidimensionalen Hirnstamm-Mappings auf der Basis von MR-tomographisch nachgewiesenen akuten Hirnstamminfarkten, um den Verlauf der in der elektrophysiologischen Diagnostik eingesetzten Hirnstammreflexe mit ihren Einzelkomponenten nachzuvollziehen. Zwischen 1998 und 2002 wurden an der Neurologischen Universitätsklinik Mainz und an der Abteilung für Neurowissenschaften der Universität „La Sapienza“ Rom 216 konsekutive Patienten rekrutiert, die in einer innerhalb von 24 Stunden nach Beginn der Symptomatik nach einem fixen Protokoll durchgeführten MRT mit biplanarer EPI-T2- und EPI-diffusionsgewichteter Bildgebung einen frischen isolierten Hirnstamminfarkt aufwiesen. Die individuellen Hirnstammläsionen wurden normalisiert und für statistische Analysen in ein dreidimensionales Hirnstammmodell auf der Basis mehrerer anatomischer Atlanten projiziert. Innerhalb von 7 Tagen erfolgte bei allen Patienten eine elektrophysiologische Untersuchung der Hirnstammreflexe (Blink-, Masseter- und Masseterhemmreflex), die im Verlauf mindesten einmal wiederholt wurden. Bei der statistischen Analyse betroffener Areale von Patienten mit elektrophysiologischen Auffälligkeiten ergaben sich die stärksten Signifikanzen für den Verlauf der Blinkreflex-Komponente R1 durch den ipsilateralen Pons und der R2 durch die Medulla oblongata sowie für den pontomesenzephalen ipsilateralen Verlauf der Silent period 1 (SP1). Für den pontomedullären Verlauf der SP2 zeigten sich nur schwache Signifikanzen, für den Masseterreflex liess sich kein mit ausreichender Signifikanz betroffenes Areal sichern. In der vorliegenden prospektiven Untersuchung zum Verlauf der einzelnen Komponenten der elektrophysiologischen Hirnstammreflexe liessen sich vor allem für den Blinkreflex und die SP1-Komponente des Masseterhemmreflexes stabile Areale sichern, die gegenüber den vorliegenden, vorwiegend CT-basierten topographischen Studien an kleineren Kollektiven eine exaktere lokalisatorische Zuordnung erlauben. Erstaunlich war die bei hoher Sensitivität für den Nachweis von Hirnstammläsionen nur geringe höhenlokalisatorische Aussagekraft des Masseterreflexes, die vermutlich durch den ausgedehnten pontomesenzephalen Verlauf und die Gefäßarchitektur des Hirnstamms mitbedingt ist.