Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 81
DOI: 10.1055/s-2003-816484

Lateralisiertes Bereitschaftspotenzial und Ereignis-korrelierte Desynchronisation perizentraler my/beta-Rhythmen bei rasch repetierten Fingerbewegungen im Kontext des Berlin Brain-Computer Interface (BBCI)

F Losch 1, B Blankertz 1, K Müller 1, G Curio 1
  • 1Berlin

Nicht-invasive Brain-Computer Interfaces ermöglichen die Kontrolle externer Geräte mit EEG-Signalen. Zum Einsatz kommen dabei Single-Trial Analysen der Ereignis-korrelierten Desynchronisation perizentraler my/beta-Rhythmen oder des lateralisierten Bereitschaftspotenzials. Eines der Hauptprobleme ist der nach wie vor limitierte Informations-Transfer. Eine beschleunigte Abfolge intern generierter Brain-Computer Interface-Kommandos könnte jedoch begrenzt sein durch die Refraktär-Zeiten der verwendeten EEG-Phänomene. Wir führten eine Studie an 8 gesunden Probanden durch mit dem Ziel, die Stabilität von Ereignis-korrelierter Desynchronisation und lateralisierten Bereitschaftspotenzialen bei steigender Wiederholfrequenz von real durchgeführten Fingerbewegungen intraindividuell zu testen. Die Probanden wurden gebeten, blockweise 30, 60 oder 120 mal pro Minute randomisiert mit dem rechten oder linken Zeigefinger Buchstaben auf einer Computertastatur zu tippen. Die kortikale Aktivität wurde mit einer 64-Kanal EEG-Ableitung aufgenommen und intraindividuell die gemittelten prämotorischen lateralisierten Bereitschaftspotenziale und my/beta-Ereignis-korrelierten Desynchronisations-Signale als Funktion der Tipp-Rate verglichen. Sieben von acht Versuchspersonen zeigten ein lateralisiertes Bereitschaftspotenzial, welches bei allen drei Frequenzen der Fingerbewegungen signifikant über dem kontralateral gelegenen primären Motor-Kortex nachweisbar war. Dieselben sieben Versuchspersonen zeigten – gleichfalls für alle drei Tipp-Frequenzen – eine my/beta-Ereignis-korrelierte Desynchronisation stärker über dem kontralateralen als über dem ipsilateralen Motor-Kortex. Detail-Analysen weisen auf sequenzielle Effekte hin (Fingerwechsel vs. Fingerwiederholung), insbesondere auf differenzielle Modulationen von sich überlagernden Rhythmus-Rebounds bei raschen Bewegungssequenzen. Bei der Mehrzahl von unselektierten und untrainierten Probanden können zwei verschiedene prämotorische EEG-Merkmale (lateralisierte Bereitschaftspotenziale, Ereignis-korrelierte Desynchronisationen) mit plausibler somatotoper Potenzialverteilung bis zu einer Geschwindigkeit von 120 Fingerbewegungen pro Minute abgeleitet werden. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für Single-Trial-Analysen im Brain-Computer Interface-Kontext. Die Analyse von Rebound-Effekten kortikaler Rhythmen nach phasischen Fingerbewegungen könnte zu neuen Klassifikatoren führen. Eine Kombination oszillatorischer (Ereignis-korrelierte Desynchronisation) und nicht-oszillatorischer (lateralisierte Bereitschaftspotenziale) EEG-Merkmale für die Erkennung und Klassifikation motorischer Befehle in Brain-Computer Interface-Anwendungen ist somit auch bei schnellen Bewegungssequenzen möglich und könnte künftig die Brain-Computer Interface-Informationsrate erhöhen.