Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 75
DOI: 10.1055/s-2003-816478

Neuronavigierte repetitive transkranielle Magnetstimulation des akustischen Kortex bei Tinnitus: klinische und neurophysiologische Befunde

B Langguth 1, P Eichhammer 1, M Zowe 1, J Marienhagen 1, T Kleinjung 1, P Jacob 1, R Wiegand 1, A Kharraz 1, G Hajak 1
  • 1Regensburg

Klinische, neurophysiologische und funktionell bildgebende Untersuchungen legen nahe, dass bei Patienten mit chronischem Tinnitus neuroplastische Veränderungen mit erhöhter Erregbarkeit des auditorischen Kortex vorliegen. Die repetitive transkranielle Magnetstimulation ist eine neuartige Behandlungsmethode, die es erlaubt, bei niedrigfrequenter Anwendung die kortikale Exzitabilität zu vermindern und so neuropsychiatrische Erkrankungen, die mit einer umschriebenen Übererregbarkeit einhergehen, zu behandeln. Patienten mit chronisch zentralem Tinnitus und einer umschriebenen metabolischen Hyperaktivität im Bereich des akustischen Kortex im FDG-PET (Positronenemissionstomographie mit [18F] Deoxyglukose) wurden mit repetitiver trankranieller Magnetstimulation (Schmetterlingsspule, 110% Motorschwelle; 1Hz; 2000 Stimuli/Tag über 5 Tage, plazebokontrelliertes cross-over Design) behandelt. Mithilfe eines Neuronavigationssystems (Vectorvision, BrainLAB AG, Heimstetten, Deutschland) konnte die Stimulationsbehandlung individuel gezielt auf das Areal der erhöhten metabolischen Aktivität erfolgen. Der Tinnitusschweregrad wurde mit dem Tinnitusfragebogen nach Goebel und Hiller evaluiert. Bei zirka der Hälfte der behandelten Patienten zeigte sich eine deutliche Besserung des Tinnitus (Responder), bei den Übrigen hatte die Behandlung keinen relevanten Effekt auf den Tinnitus (Nonresponder). Regelmäßige Messungen der Exzitabilität des Motorkortex mit einem Doppelpuls-TMS-Paradigma im Behandlungsverlauf ergaben, dass sich Responder von Nonrespondern in den neurophysiologischen Verlaufsparametern deutlich unterschieden. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Reaktion des Gehirns auf repetitive transkranielle Magnetstimulation interindividuel unterrschiedlich ist, dass diese Unterschiede in der Reagibilität elektrophysiologisch zu erfassen sind und die Variabilität der klinischen Wirkung widerspiegeln.