Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 73
DOI: 10.1055/s-2003-816476

Darstellung ausgedehnter Veränderungen des regionalen zerebralen Blutflusses nach transkranieller Gleichstromstimulation mittels PET

N Lang 1, H Siebner 1, N Ward 1, M Nitsche 1, W Paulus 1, J Rothwell 1, R Lemon 1, R Frackowiak 1
  • 1Göttingen, Kiel, London

Die transkranielle Gleichstromstimulation ist ein nicht-invasives Verfahren zur Modulation kortikaler Erregbarkeit am Menschen. Während anodale transkranielle Gleichstromstimulation über dem primären motorischen Handareal (M1) eine Erhöhung der kortikospinalen Erregbarkeit induziert, führt kathodale transkranielle Gleichstromstimulation zu einer Inhibition. An 16 gesunden, männlichen Probanden untersuchten wir den globalen Einfluss von transkranieller Gleichstromstimulation auf Veränderungen des regionalen zerebralen Blutflusses mittels PET. Acht Probanden erhielten in zwei Sitzungen jeweils anodale bzw. kathodale und sham transkranielle Gleichstromstimulation über M1, bevor anhaltende Veränderungen regionaler Hirnaktivität durch konsekutive PET-Messungen während selbstbestimmter Fingerbewegungen oder in Ruhe dargestellt wurden. Beide Formen von transkranieller Gleichstromstimulation führten zu ausgedehnten Veränderungen des regionalen zerebralen Blutflusses. Eine Zunahme des regionalen zerebralen Blutflusses nach sowohl anodaler wie auch kathodaler transkranieller Gleichstromstimulation fand sich im linken und rechten primär sensomotorischen Kortex, im anterioren Cingulum, im rechten parieto-okzipitalen Übergang, im superioren temporalen Sulcus und im Zerebellum. Darüber hinaus fanden sich spezifische Veränderungen des regionalen zerebralen Blutflusses jeweils nach anodaler transkranieller Gleichstromstimulation und nach kathodaler Stimulation. Die transkranielle Gleichstromstimulation-induzierten Effekte waren in Ruhe und bei Fingerbewegungen etwa gleich stark ausgeprägt und blieben über den Zeitraum der PET-Messungen von etwa 40min stabil. Unsere Ergebnisse deuten auf eine komplexe Beeinflussung neuronaler Aktivität durch transkranielle Gleichstromstimulation hin. Während beide Polaritäten unmittelbar unter der Elektrode eine Aktivitätszunahme induzieren, treten entferntere Effekte vorwiegend polaritätsspezifisch auf. Wir vermuten, dass sowohl intrazerebrale Konnektivität als auch Dispersion des Stromflusses durch regionale Unterschiede des Hirngewebswiderstandes zu den multiplen Aktivitätsveränderungen führt.