Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 69
DOI: 10.1055/s-2003-816472

Abnahme der spastischen Tonuserhöhung der unteren Extremität sowohl nach funktioneller Elektrostimulation als auch lumbaler repetitiver Magnetstimulation

P Krause 1, J Szecsi 1, M Fiegel 1, A Straube 1
  • 1München

Die Spastik-senkende Wirkung einer funktionellen Elektrostimulation ist bekannt. In zwei Arbeiten wurde eine ähnliche Wirkung der repetitiven Magnetstimulation nach spinaler und peripherer Reizung beschreiben. Diese und eigene Untersuchungen einer lumbal applizierten repetitiven Magnetstimulation haben uns angeregt beide Stimulationsmöglichkeiten an Patienten mit Rückenmarksschädigung zu vergleichen. Sieben Patienten (mit komplettem und inkomplettem Querschnitt) bildeten zwei Gruppen mit und ohne klinisch messbarer spastischer Tonuserhöhung. Diese wurde klinisch mittels modifizierter Ashworth Skala und apparativ mittels Pendeltest (Relaxationsindex des Knies) vor und nach Stimulation eingeteilt. Appliziert wurden 10 Reizserien einer jeweils 10s dauernden repetitiven Magnetstimulationen über den Nervenwurzeln (L3/L4) der klinisch stärker betroffenen Seite (ipsilateral). Die Stimulationsintensität lag bei 120% der spinalen Muskelerregungsschwelle. Weiterhin wurden Scheinstimulationen mit sicher unterschwelliger Intensität vorgenommen. Die funktionelle Elektrostimulation bestand aus einer individuell angepassten Stimulation zur Durchführung unterschiedlicher funktioneller Bewegungen (unter anderem Stehen, Gehen, Fahrradfahren). Applizierte Stromstärken lagen bei 65 bis 90 mA, mit Frequenzen bis zu 20Hz und 500µs Pulsbreite. Die Bewegungsdauer betrug bis zu 10 Minuten. In der Patientengruppe mit Spastik fanden sich klinisch und apparativ messbare signifikante Verbesserungen nach funktioneller Elektrostimulation (modifizierter Ashworth Skala/Relaxationsindex ipsilateral vor 3/0,7 nach 2,1/0,9; kontralateral vor 2/0,73 nach 1,6/0,96) aber auch nach repetitiver Magnetstimulation (modifizierter Ashworth Skala/Relaxationsindex ipsilateral vor 2,1/0,62 nach 1,3/0,75; kontralateral vor 1,4/0,74 nach 1,1/0,89). Scheinstimulationen zeigten keine Veränderungen. Patienten ohne Spastik ergaben einen gleichbleibenden modifizierten Ashworth Skala-Wert und nur geringe nicht-signifikante Änderungen im Pendeltest. Nach funktioneller Elektrostimulation sank der Relaxationsindex (ipsilateral vor 1,21 nach 1,18; kontralateral vor 1,23 nach 1,21), nach repetitiver Magnetstimulation stieg er ipsilateral (Relaxationsindex vor 1,13 nach 1,17) sank kontralateral (vor 1,15 nach 1,13). Wichtigstes Ergebnis ist, dass wir nicht nur nach funktioneller Elektrostimulation sondern auch nach repetitiver Magnetstimulation eine klinisch und apparativ messbare Reduktion der spastischen Tonuserhöhung zeigen konnten, während Patienten ohne klinische Spastik nur geringe Veränderungen ergaben. Die repetitive Magnetstimulation könnte somit möglicherweise als schmerzlose nebenwirkungsfreie Methode in der Behandlung spastischer Paresen genutzt werden.