Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 64
DOI: 10.1055/s-2003-816467

Intrathalamische EKP-Spezifika in Oddball- und Wahl-Reaktions-Aufgaben

F Klostermann 1, F Marzinzik 1, M Wahl 1, M Mikolajewska-Baumann 1, G Curio 1
  • 1Berlin

In einem Oddball-Paradigma wurden intrathalamische Ereignis-korrelierte Potenziale (EKP) mit Skalp-Antworten verglichen, um subkortikale Beiträge zur Antwortgenerierung zu untersuchen. Bei einem Tiefenhirn-stimulierten Patienten (38 Jahre; essentieller Tremor) wurden simultan Skalp-EEG (20 Kanäle) und Thalamus-EEG postoperativ abgeleitet (2 bipolare Kanäle von Elektroden in beiden Nucl. ventralis internus bei externen Schrittmacherkabeln). In einem visuellen Oddball-Pardigma wurden häufige (72%) und seltene Non-Target Reize (14%) sowie seltene Target-Reize (14%) präsentiert, wobei nur letztere mit einem Tastendruck (rechter Zeigefinger) angezeigt werden sollten. Zur Differenzierung kognitiver und motorischer Prozesse wurde eine Wahl-Reaktions-Aufgabe angeschlossen, in der auf randomisierte Go-Stimuli mit dem rechten (50%) oder linken (50%) Zeigefinger zu antworten war. Das kontinuierlich aufgenommene EEG (0,05–1000Hz; Abtastrate 5 kHz) wurde pro Aufgabe und Stimulusklasse Antwort- und Reiz-bezogen gemittelt. Alle Targets im Oddball-Paradigma wurden korrekt detektiert (mittlere Reaktionszeit: 418±69 ms). 380 ms post Stimulus gipfelte ein zentro-parietaler P3-Komplex mit 25 mV nach Targets, 11 mV nach seltenen und 7 mV nach häufigen Non-Targets. Im Thalamus gipfelte nach allen Reizklassen eine erste Positivität von 10 mV um 180 ms, die nur nach Target-Reizen von einer weiteren Positivität (30 mV) bei 280 ms gefolgt wurde. In der Antwort-gemittelten Darstellung wurde diese Komponente schmaler und nahm leicht an Amplitude zu. In der Wahl-Reaktionsaufgabe stellte sich lediglich eine Komponente um 10 mV mit einer der ersten Positivierung im Oddball-Experiment ähnlichen Peak-Latenz dar; eine der Antwortseite entsprechende Lateralisierung wurde ab 300 ms post Stimulus deutlich. Im Gegensatz zu Skalp-EKP wurde im Thalamus kein Häufigkeitseinfluss auf Non-Target-EKP nachgewiesen. Eine thalamische Zusatzaktivierung wurde nur nach Targets beobachtet. Diese Antwort weist eine zeitlich engere Beziehung zur Reaktion als zum visuellen Input auf, unterscheidet sich jedoch vom in der Wahl-Reaktions-Aufgabe generierten prämotorischen Signal. Somit wird eine Thalamus-Funktion erkenntlich, in der sich kognitive mit motorischen Funktionen verschränken: thalamisch scheint eine Aufgaben-spezifische Antwortpräparation, kortikal eher die häufigkeitsabhängige Reanalyse des Stimulusmaterials geleistet zu werden.