Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 57
DOI: 10.1055/s-2003-816460

Amygdala-Aktivierung durch Videosequenzen mit Gesichtern furchterfüllter Menschen

H Jokeit 1, M Schacher 1, B Hämmerle 1, C Kötz 1, G Osterkamp 1, B Porcellini 1, D Huber 1
  • 1Zürich

Die Amygdala, ein komplexes Kerngebiet im dorsomedialen Temporallappen, verarbeitet emotionsrelevante Informationen, moduliert Gedächtnisprozesse und triggert Reaktionen des autonomen Nervensystems. Die Prüfung der funktionellen Integrität dieser Struktur vor elektiven neurochirurgischen Eingriffen (z.B. Temporallappenteilresektion) ist klinisch von Bedeutung. Darüber hinaus sind Dysregulationen amygdalärer Aktivität bei zahlreichen psychischen Störungen und Erkrankungen nachgewiesen. Die Darstellung amygdalärer Aktivität könnte also einen Beitrag zur Diagnostik und Therapie bestimmter psychischer Krankheits- und Störungsbilder leisten. Die Messung von BOLD-Signalen mittels funktionellem MRI im dorsomedialen Temporallappen wird durch die großen anatomischen Inhomogenitäten in dieser Region erschwert. Affekthaltiges Bildmaterial induziert zumindest für Gruppenstudien hinreichend starke BOLD-Signale. Angst- bzw. furchterfüllte Gesichter scheinen dabei ekelerregenden szenischen Stimuli überlegen zu sein. Weiterhin induzieren expressive Ganzkörperbewegungen ebenfalls eine Zunahme des periamygdalären BOLD-Signals. Damit ist der Einsatz von Videosequenzen, in denen Menschen in Furcht und Angst dargestellt werden, zur Aktivierung der Amygdala im funktionellen MRI naheliegend. Acht gesunde Probanden (eine Frau) sahen im MRI (Siemens Sonata) Videosequezen, in denen furchterfüllte Gesichter aus Spielfilmen gezeigt wurden. Als Refernzbedingung diente die Darbietung von filmischen Landschaftsaufnahmen. Furcht- und Landschaftsaufnahmen alternierten in einem Blockdesign über 7min Dauer. Pro Volumen wurden 12 koronare EPI-Schichten (Dicke 5mm), die den anterioren Temporallappen einschlossen, gemessen. Sechs Probanden wurden im Wochenabstand mit identischer Untersuchungsanordnung nachuntersucht. Bei allen Probanden konnten periamygdaläre Aktivierungen auf einem individualdiagnostisch hinreichenden Signifikanzniveau (p<0,001) nachgewiesen werden. Bei fünf von sechs Probanden zeigten sich auch in der Nachuntersuchung stabile periamygdaläre Antworten. Mit der einfachen Durchführung, der unproblematischen Auswertung und der Reproduzierbarkeit werden Grundvoraussetzungen für den Einsatz dieses Paradigmas in klinischen Applikationsstudien erfüllt.