Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 48
DOI: 10.1055/s-2003-816451

Latenz der zerebralen Blutflussantwort während des CO2-Reaktivitätstests als neuer Marker der zerebrovaskulären Reservekapazität

A Hetzel 1, B Guschlbauer 1, M Reinhard 1
  • 1Freiburg

Während die relative Amplitude des Anstieges der zerebralen Blutflussgeschwindigkeit unter Hyperkapnie eine etablierte Methode zur Bestimmung der zerebrovaskulären Reservekapazität darstellt (so genannter. CO2-Test), ist über die zeitliche Dynamik der Blutflussgeschwindigkeits-Antwort während des CO2-Tests wenig bekannt. In der vorliegenden Studie wird diese Dynamik analysiert und ihre potenzielle Anwendung als ergänzender Parameter zur Bestimmung der zerebrovaskulären Reservekapazität untersucht. 87 Patienten mit unilateralem Verschlussprozess der A. carotis interna wurden anhand des Stenosegrades in 3 verschiedene Gruppen eingeteilt (A 75–89%, B 90–94%, C 95–100%). Die zeitliche Dynamik der zerebralen Blutflussgeschwindigkeit (dopplersonographisch erfasst in der A. cerebri media beidseits) unter transienter Hyperkapnie (erzeugt durch Inhalation eines 7%igen CO2-Gemisches) wurde durch Bestimmung verschiedener Zeitkonstanten (Anstieg/Abfall) und Latenzen (zwischen Änderungen des PetCO2 und der zerebralen Blutflussgeschwindigkeit) charakterisiert. Zusätzlich wurde die konventionelle Amplituden-CO2-Reaktivität in % des Anstieg der zerebralen Blutflussgeschwindigkeit pro mmHg PetCO2-Anstieg erfasst. Eine signifikante Reduktion der konventionellen CO2-Reaktivität auf der zur Stenose ipsilateralen Seite bestand bei allen Gruppen. Zeitkonstanten der Antwort der zerebralen Blutflussgeschwindigkeit unterschieden sich nicht signifikant zwischen ipsi- und kontralateraler Seite. Der ‘off-delay’ am Ende der Hyperkapnie zwischen Abnahme des PetCO2 und dem folgenden Abfall der zerebralen Blutflussgeschwindigkeit war der einzige von 6 Parametern, der einen deutlichen Seitenunterschied und eine signifikante Unterscheidung zwischen den Stenosegruppen zeigte. Seine Reproduzierbarkeit (untersucht bei 11 Patienten) lag mit r=0,75 im Bereich der konventionellen CO2-Reaktivität. Die Analyse der dynamischen zerebralen Blutflussgeschwindigkeit-Antwort während des CO2-Tests ergab einen signifikanten und reproduzierbaren ‘delay’-Parameter, der dieselbe Fähigkeit zur Erfassung einer hämodynamischen Beeinträchtigung bei Patienten mit Verschlussprozess der A. carotis hat wie die konventionelle Amplituden-CO2-Reaktivität.