Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 41
DOI: 10.1055/s-2003-816444

H-Reflex an untypischen Ableiteorten (Mm. vastus medialis und tibialis anterior) bei gesunden Erwachsenen

A Güttler 1, CD Reimers 1
  • 1Arnsdorf

Der Hoffmann-Reflex reflektiert supraspinale und segmentale Einflüsse auf das alpha-Motoneuron und wird zur Dokumentation von Spastik herangezogen. Bei gesunden Erwachsenen lässt sich der H-Reflex nach Literaturangaben nur in den Mm. triceps surae et flexor carpi radialis darstellen. Mehrfach beobachteten wir, dass der H-Reflex jedoch auch an den Mm. vastus medialis et tibialis anterior evozierbar war. Ziele dieser Untersuchung ist die systematische Untersuchung des H-Reflexes dieser Muskeln. Es wurden 13 erwachsene Männer und 17 Frauen mit normalem neurologischen Befund untersucht. Der entspannte Muskel wurde mit langsam zunehmender Reizstärke bis zum Auslösen einer supramaximalen Muskelantwort (Reizdauer 0,5 ms) mit Einzelreizen stimuliert. Als Untersuchungsparameter wurden die jeweils maximale Amplitude der H-und M-Antwort sowie deren Latenzen, der Quotient der Amplituden (H/M) sowie die Reizintensität bei maximaler H-Amplitude bestimmt. Das Vorliegen eines H-Reflexes – im Gegensatz zur F-Welle – wurde angenommen, wenn A) die H-Antwort vor oder zeitgleich mit der M-Antwort erscheint oder B) die Amplitude der H-Antwort mit zunehmender Reizintensität amplitudenniedriger wird. Zusätzlich musste eine konstante H-Latenz bestehen und die H-Antwort monomorph konfiguriert und regelmäßig auslösbar sein. Am M. vastus medialis ließ sich ein H-Reflex rechts in 93% (28 von 30 Probanden), links bei 90% (27 von 30) ableiten. Eine Ableitung vom M. tibialis anterior gelang beiderseits in 66% (bei 20 von 30). Kriterium A) war am M. vastus medialis bei 75%, am M. tibialis anterior bei 17% der Reflexe, Kriterium B bei 80% bzw. 61% vorhanden. Die Reizschwelle des H-Reflexes variierte zwischen 4 und 99mV. Die mittlere H-Latenz betrug bei Männern für den M. vastus medialis 18,7 ms, für den M. tibialis anterior 30,2 ms, für Frauen 18,2 bzw. 28,4 ms, die entsprechenden mittleren H/M-Quotienten beliefen sich auf 0,4, 0,2, 0,1 und 0,1 (Mediane). Die H-Latenz korrelierte signifikant mit der Körpergröße (je nach Muskel r=0,4 bis 0,8). Tendenziell war der H-Reflex bei jüngeren Personen häufiger auslösbar als bei älteren. Der H-Reflex lässt sich auch an den Mm. tibialis anterior und vor allem vastus medialis in der Mehrzahl der gesunden erwachsenen Personen auslösen.