Reziproke disynaptische Ia-Hemmung an Soleus-Motoneuronen ist bei spastischer Hemiparese
mit schlechter funktioneller Erholung und ausgeprägter Spitzfußstellung vermindert.
Bei guter funktioneller Erholung nach Schlaganfall ist die reziproke Hemmung hingegen
verstärkt. Es ist bislang nicht bekannt, ob diese Veränderungen vor Entwicklung der
spastischen Tonuserhöhung auftreten oder ein Epiphänomen der Spastik darstellen. Wir
untersuchten reziproke Hemmung vom N. peronaeus zum M. soleus bei 28 Patienten innerhalb
der ersten 48h nach Schlaganfall und bei 16 altersentsprechenden Kontrollpersonen.
Die Messungen wurden an mehreren Zeitpunkten zwischen 4 Tagen und 12 Monaten nach
dem Schlaganfall wiederholt. Reziproke Hemmung wurde anhand der Amplitudenveränderungen
des Soleus H-Reflexes auf einen konditionierenden Reiz des N. peronaeus bestimmt,
zusätzlich wurde der Verlauf klinischer Scores erfasst. Bei Gesunden wurde der Soleus
H-Reflex auf 92,5±3,5% seines unkonditionierten Wertes vermindert. Innerhalb der ersten
48h nach Schlaganfall zeigte sich keinerlei Hemmung (100,4±1,8%). Ähnliche Werte zeigten
sich bis etwa eine Woche nach Schlaganfall. Danach entwickelte sich eine Tendenz zu
bahnenden Effekten bevor klinische Skalen irgendwelche Anzeichen eines erhöhten Muskeltonus
zeigten. Einen Monat nach Schlaganfall zeigte sich eine Bahnung von 103,5±3,8%. Ein
Jahr nach dem Schlaganfall war nur bei Patienten mit einem guten funktionellem Ergebnis
wieder eine Hemmung, während bei schlechter klinischer Erholung noch immer bahnende
Effekte nachweisbar waren. Reziproke disynaptische Ia-Hemmung ist bereits unmittelbar
nach dem Schlaganfall ausgefallen und erholt sich nach Wochen bis Monaten, wenn ein
gutes funktionelles Ergebnis des Beines eintritt. Da diese Veränderungen der spastischen
Tonuserhöhung um Wochen vorausgehen, stellen sie kein Epiphänomen der Spastik dar.
Vielmehr könnte dieser Ausfall der Antagonistenhemmung eine Rolle für die Entwicklung
der Spastik spielen.