Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 22
DOI: 10.1055/s-2003-816425

Veränderungen der Exzitabilität des visuellen Kortex durch externe Stimulation mit Magnet- und Lichtreizen: eine Pilotstudie mit visuell evozierten Potenzialen

N Dambeck 1, B Boroojerdi 1, J Classen 1
  • 1Aachen, Würzburg

Durch niederfrequente repetitive transkranielle Magnetstimulation (TMS) können im motorischen Kortex Erregbarkeitsveränderungen induziert werden, wenn die TMS mit einer peripheren Stimulation somatosensibler Afferenzen zeitlich gekoppelt wird. Im visuellen Kortex wurde nach 900 TMS-Pulsen eine verminderte Exzitabilität mit Amplitudenabnahme und abgeschwächter physiologischer Habituation der VEP beschrieben. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, mittels assoziativer Paarstimulation eine Veränderung der Erregbarkeit des visuellen Kortex analog zum motorischen Kortex hervorzurufen. Bei elf Probanden wurden je 5 aufeinanderfolgende Schachbrettmuster-VEP (Mittelwerte aus je 200 Einzelableitungen) vor und nach einer Paarstimulation, bestehend aus Lichtblitz (Blitzlichtbrille) und fokaler, okzipitaler TMS, aufgezeichnet. Insgesamt wurden 180 Reizpaare appliziert (0,1Hz; 30min), wobei die TMS-Pulse mit der individuellen N75-Latenz auf die Lichtblitze folgten. Als Kontrolle wurde bei 5 Probanden dieselbe Anzahl von Licht- und TMS-Reizen zeitlich ungekoppelt abgegeben. N75- und P100-Latenzen sowie N75/P100-Amplituden wurden bestimmt und über die VEP-Blöcke vor und nach der Intervention gemittelt. Die Habituation der Amplituden wurde als relative Amplitudenveränderung im fünften im Vergleich zum ersten VEP-Block je vor und nach der Intervention ermittelt. Die Mittelwerte der Latenzen und Amplituden und die relativen Amplitudenveränderungen vor und nach der Intervention wurden mit Wilcoxon-Tests verglichen. Nach der Paarstimulation waren bei allen Probanden die N75-Latenzen verlängert (Mittelwert (±SD)=2,4 ms (±1,3ms); p=0,003). Weiterhin nahm die Amplitude um 11,9% (±15,8%) ab (p=0,03), und es kam zu einer Umkehrung der Habituation (vorher: –11,8% (±11,28%), nachher: +18,0% (±25,6%); p=0,03). Die P100-Latenzen blieben unverändert. In der Kontrollbedingung ergaben sich qualitativ gleichgerichtete, nicht-signifikante Veränderungen. Unsere vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass mittels externer Stimulation eine Exzitabilitätsveränderung des visuellen Kortex induziert werden kann und eine Unterdrückung der Habituation bereits nach wenigen TMS-Pulsen möglich ist. Die Daten unterstützen jedoch nicht einen Mechanismus, der auf einer engen zeitlichen Kopplung der zwei Reizmodalitäten beruht. Die Effekte der möglichen Einflussgrößen (Lichtreiz, TMS, Dunkelheit während der Intervention) müssen in zukünftigen Experimenten getrennt untersucht werden.