Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 5
DOI: 10.1055/s-2003-816408

Nichtkonvulsiver Status epilepticus unter Behandlung mit Levetiracetam

R Atefy 1, L Bönig 1, B Tettenborn 1
  • 1St. Gallen

Levetiracetam hat sich in kontrollierten klinischen Studien als breit wirksames neues Antikonvulsivum mit gutem Verträglichkeits- und Interaktionsprofil erwiesen. Bislang wurde nur bei wenigen Patienten eine Zunahme der Anfallsfrequenz beobachtet, wie sie theoretisch bei jedem Antikonvulsivum auftreten kann. Wir beobachteten zwei Patienten mit therapieresistenten fokalen Epilepsien ohne Status epilepticus in der Anamnese, bei denen es unter Einnahme von Levetiracetam zu einem nichtkonvulsiven Status epilepticus kam. Patient 1: 71 Jahre; symptomatische Epilepsie mit komplex-fokalen Anfällen nach Bestrahlung eines frontalen Astrozytoms 1985. Anfallsfrequenz 1–3 Anfälle pro Monat unter Carbamazepin-Monotherapie. Seit Ende 2001 Zusatztherapie mit Levetiracetam zuletzt 2000mg/d. Im April 2003 notfallmässige Aufnahme im nichtkonvulsiven Status epilepticus. Unter parenteraler Gabe von Clonazepam und Sistieren von Levetiracetam elektroklinische Beendigung des Status. Seitdem Monotherapie mit Carbamazepin. Patient 2: 30 Jahre; Epilepsie mit primär komplex-fokalen Anfällen bei mesialer Temporallappensklerose. Anfallsfrequenz unter Valproinsäure-Monotherapie bis 2000mg tgl. respektive Carbamazepin bis 2400mg tgl. 1–2 Anfälle pro Monat. Nach prächirurgischer Epilepsiediagnostik 02/2003 mit nur einem Anfall nach Medikamentenentzug Einstellung auf Levetiracetam-Monotherapie 2000mg/d. Nach vierwöchigem anfallsfreien Intervall notfallmässige Aufnahme im nichtkonvulsiven Status epilepticus mit komplex-fokalen Anfällen. Sistieren des Status unter Clonazepam intravenös. Umstellung von Levetiracetam auf Lamotrigin, dabei bei 500mg Levetiracetam erneuter nichtkonvulsiven Status epilepticus, der nach Absetzen von Levetiracetam und Gabe von Clonazepam sistierte. Anschließend Monotherapie mit Lamotrigin. Bei beiden Patienten kam es unter Tagesdosis von 2000mg Levetiracetam zum erstmaligen Auftreten eines nichtkonvulsiven fokalen Status epilepticus bei vorbestehender Epilepsie mit komplex-fokalen Anfällen. Patient 2 hatte sogar unter niedrigdosiertem Levetiracetam in der Umstellungsphase auf Lamotrigin einen zweiten nichtkonvulsiven Status epilepticus. Wir diskutieren die möglichen Ursachen einer anfallsprovozierenden bzw. paradoxen Reaktion auf Levetiracetam bei beiden Patienten; bei Patient 2 könnte es sich bei Monotherapie auch um eine abnehmende Wirksamkeit der Substanz gehandelt haben. Abgesehen von wenigen Einzelfällen eines Status epilepticus unter hohen Dosen von Levetiracetam bei geistig retardierten Patienten ist bislang keine Provokation eines nichtkonvulsiven Status epilepticus unter Einnahme von Levetiracetam in der Literatur beschrieben.