NOTARZT 2004; 20(2): 71-72
DOI: 10.1055/s-2003-814792
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schmerzhafte Wochenendbeschäftigung

F.  Martens1
  • 1Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
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Publication Date:
02 April 2004 (online)

Der Fall

An einem Sonntagabend wird der Notarzt in ein frisch erbautes Einfamilienhaus unter dem Stichwort „Schmerzbekämpfung” gerufen. Ein etwa 35-jähriger Mann hatte wegen stärkster Schmerzen in beiden Händen und an einzelnen Stellen seines Gesichts den Rettungsdienst alarmiert. Der Patient ist wach und zeigt seine beiden Hände, die erheblich gerötet und geschwollen sind. An einzelnen Stellen löst sich die Haut in Blasen ab. Gerötete Stellen mit Schwellung finden sich auch an beiden Wangen.

Zur Entwicklung dieser schmerzhaften Schwellung kann der Notarzt schließlich erfahren, dass der Patient seit dem Abend des vergangenen Freitags die mit Stein verkleidete Fassade seines relativ neuen Hauses von Zementschleier und anderen Ausblühungen gereinigt habe. Dabei habe er eine Schutzbrille und Lederhandschuhe getragen. Das flüssige Reinigungsmittel habe er wie empfohlen mit einem dicken Pinsel aufgetragen - an besonders hartnäckigen Stellen sei er mit einem damit angefeuchteten Lappen erneut darübergegangen. Anschließend habe er mit einem Gartenschlauch das Reinigungsmittel wieder abgespritzt. Diese Arbeit hatte er mit kurzen Unterbrechungen während des ganzen Wochenendes fortgesetzt. Bereits am Morgen des Sonntags sei ihm eine gewisse Schmerzhaftigkeit beider Hände aufgefallen - dies habe er auf die ungewohnte körperliche Belastung zurückgeführt.

Da auf der Packung des Reinigungsmittels keine Rezeptur angegeben ist, erfolgt ein Anruf bei der Giftinformationszentrale. Diese ermittelt einen Gehalt von 15 - 25 % Flusssäure sowie 5 - 10 % Ameisensäure.

Unter dem Verdacht einer hochgradigen Verätzung der Hände und Teilen des Gesichts durch das säurehaltige Reinigungsmittel wird der Patient nach Legen eines Zuganges und Gabe eines Analgetikums in die nächstgelegene Klinik mit Unfallchirurgie transportiert.

Dort entschließt man sich, nach Einreiben der Hände mit Kalziumglukonatgel und Anlegen eines Verbandes, in die Arteria radialis einen 20-G-Katheter einzulegen und über diesen mittels Perfusor Kalziumglukonat zu verabreichen. Darunter bessern sich die Schmerzen. Die geröteten Stellen der Wangenhaut werden mit einem Gemisch von Kalziumglukonat und Lidocain unterspritzt. Zur Kontrolle der Kalzium- und Kaliumkonzentrationen bis zum Beginn der Abheilung verbleibt der Patient stationär. Danach dauert es noch mehrere Wochen, bis die Verätzungen soweit abgeheilt sind, dass er seine Hände wieder vollständig benutzen kann.

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité · Universitätsmedizin Berlin · Campus Virchow Klinikum · Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

Email: frank.martens@charite.de

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