Zusammenfassung
Hintergrund und Fragestellung: Mehr als je zuvor müssen die neonatologischen Bemühungen neben medizinischen und
pflegerischen Aufgaben ausbalanciert werden zwischen dem Verhindern von Überreizung
des Kindes gemäß des Konzeptes des „Minimal care” und andererseits der erforderlichen
Förderung der psychischen und sensomotorischen Entwicklung der kleinen Patienten während
der langen stationären Behandlung. Als Ergänzung zu den bekannten Ansätzen der auditiven
Stimulation als Form der rezeptiven Musiktherapie wird hier ein Konzept aktiver musiktherapeutischer
Methoden auf der Grundlage der Schöpferischen Musiktherapie nach Nordoff/Robbins (Universität
Witten/Herdecke) im Rahmen eines Fallbeispiels dargestellt.
Patient und Methodik: Die vorliegende Arbeit beschreibt in einem Einzelfallbericht die videodokumentierte
musiktherapeutische Arbeit mit einem sieben Wochen alten Frühgeborenen der 23. + 3.
SSW auf der neonatologischen Abteilung der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln,
Universität Witten/Herdecke. Schwerpunkt waren hierbei die Beobachtung der Reaktionsweisen
des Frühgeborenen auf die gezielte Synchronisation sensorischer, motorischer und auditiver
Reize.
Ergebnisse: Positive Reaktionen des Frühgeborenen auf die angewandte Methodik lassen eine allgemeine
Wirksamkeit von aktiver Musiktherapie bei diesen Kindern vermuten, wie sie in den
klinischen Studien über rezeptive Ansätze bereits belegt ist. Auf der Ebene unwillkürlicher
Bewegungsmuster im Kopf-, Gesichtsbereich und der Hände waren vermehrte direkte aktive
Aufmerksamkeitsreaktionen auf die Verknüpfung auditiver und sensomotorischer Stimulation
zu beobachten. Zeitweilig erhöhte Sauerstoffsättigung und erniedrigte Herz-/Pulsfrequenz
unter der Therapie lassen darüber hinaus auf positive physiologische Auswirkungen
schließen.
Schlussfolgerung: Aktive musiktherapeutische Behandlung scheint keine weitere Gefahr einer Überreizung
für Frühgeborene darzustellen, sondern bietet durch die Verknüpfung verschiedener
Sinnesmodalitäten eine adäquate entwicklungsfördernde Stimulation an.
Abstract
Background: More than ever before the neonatalogical care besides the medical and nursing work
has to been balanced between protecting the child against overextension due to the
concept of „minimal handling” and on the other hand the necessary fostering of the
young patients psychic and sensomotoric development during the long stationary treatment.
In addition to known approaches of auditive stimulation as receptive music therapy
a concept of active music therapy methods based on the Nordoff/Robbins creative music-therapy
(University Witten/Herdecke) is presented in a case-report.
Patient and Methods: The report describes in a single case-report the music-therapeutic work with a premature
of the 23 + 3th week of pregnancy at the neonatological unit of the Vestische Kinder- und Jugendklinik
Datteln, Universität Witten/Herdecke. The main focus was the observation of the prematures
reactions on specific synchronisation of motoric, sensoric and acoustical stimulation.
Results: Positive reactions allow to presume the effectivity of music therapy with early born
children as they are already shown in clinical studies about receptive music therapy.
On the level of involuntary motional actions in the area of head-, face- and handmovements
increased directly reactions of awareness on the coordination of sensomotoric and
acoustical stimulation have been observed. Temporary increase of oxygen partial pressure
and reduction of heart/pulse rate seem to cause positive physiological effects.
Conclusions: Active music therapeutic treatment does not seem to be an other risk of overtension
for prematures, but offers through the coordination of different levels of perception
an adaequate development fostering stimulation.
Schlüsselwörter
VLBW - aktive Musiktherapie - sensomotorische Integration
Key words
VLBW - active music therapy - sensomotoric stimulation
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Dr. rer. medic. Reiner Haus
Vestische Kinder- und Jugendklinik
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