Der Klinikarzt 2003; 32(10): 328-332
DOI: 10.1055/s-2003-43276
Onkologie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das lokal begrenzte Harnblasenkarzinom - Wann ist ein interdisziplinärer Ansatz sinnvoll, erforderlich und „Standard”?

Locally Limited Cancer of the Bladder - When is an Interdisciplinary - Approach Sensible, Necessary and „Standard”?R. Souchon1
  • 1Strahlenklinik des Allgemeinen Krankenhauses Hagen gGmbH (Chefarzt PD Dr. R. Souchon)
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Publication Date:
31 October 2003 (online)

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Zusammenfassung

Eine im Vergleich zu anderen Organtumoren überaus große biologische Variabilität hinsichtlich der Progressionsrate und Prognose ist typisch für Karzinome der Harnblase. Sie wachsen häufig multifokal und weisen eine hohe Rate lokaler Rezidive auf. Daher gibt es für diese Tumoren eine Vielzahl gleich wirksamer therapeutischer Optionen. Dies kann die individuelle Therapieentscheidung erschweren. Die Behandlung hat jedoch grundsätzlich risikoadaptiert zu erfolgen und interdisziplinäre Ansätze einzubeziehen. Klinisch und molekulargenetisch sind dabei nichtinvasive frühe Stadien, also oberflächlich wachsende Karzinome mit guter Prognose, von stromainfiltrierenden invasiven fortgeschrittenen Stadien mit hohem Progressionsrisiko zu unterscheiden. Bei den Tumoren mit hohem Rezidiv- bzw. Progressionsrisiko ist ein multimodaler Ansatz zu favorisieren. Mit der Radio- bzw. Radiochemotherapie gibt es heute Alternativen zur radikalen Zystektomie, die es ermöglichen, nicht nur das Organ, sondern auch dessen Funktion zu erhalten. Aktuell gewonnene Kenntnisse molekulargenetischer pathophysiologischer Vorgänge sind derzeit jedoch noch nicht in klinische Therapiekonzepte integriert.

Summary

In comparison with other organic tumours, carcinoma of the urinary bladder typically shows wide biological variability in terms of rate of progression and prognosis. It is often multifocal in nature and has a high local recurrence rate. It naturally follows from this that there is a multitude of equally effective therapeutic options for these tumours. This, of course, makes it difficult to decide on an individual form of treatment, which, however, must always be risk-adapted, and should always include interdisciplinary approaches. A clinical and molecular-genetic differentiation must be made between non-nvasive early stages, that is superficial carcinomas with a good prognosis, and invasive advanced stages infiltrating the stroma with a high risk of progression. In the case of tumours at high risk of recurrence or progression, a multimodal approach should be given preference. Today, radiotherapy or radiochemotherapy are alternative modalities to radical cystectomy that are capable of preserving not only the organ but also its function. Our current knowledge of molecular-genetic pathophysiological processes has, however, not yet been reflected in clinical implementation.

Literatur

Glossar

Dysplasie

infolge einer gestörten morphologischen Gewebe- bzw. Organentwicklung auftretende Fehlbildung, beispielsweise in Form einer Umwandlung von Epithel mit resultierender Entdifferenzierung im Sinne eines intraepithelialen Karzinoms

Feldkanzerisierung

Prädisposition einer geschädigten Gewebsregion, multiple Malignome zu entwickeln

Genamplifikation

selektive Vervielfachung eines bestimmten Gens, beispielsweise eines Tumorsuppressor- oder eines Onkogens

Gray (Gy)

Einheit der Energiedosis (1 Gy = 1 Joule/kg); Maßeinheit für die Dosierung und Fraktionierung der Strahlung bei einer Radiotherapie

Klon

genetisch identische Nachkommen, die von einem Mutterorganismus (Zelle, Einzeller) abstammen

komparative genomische Hybridisierung

ein auf dem Vergleich von DNA-Strängen beruhendes Untersuchungsverfahren zur Identifizierung von Genen oder ihren Teilabschnitten

monoklonal

von einer (tumorös alterierten) Zelle abstammende Tochterzellen

polyklonal

von mehreren genetisch unterschiedlichen (tumorös alterierten) Zellen abstammende Nachfahren

photodynamische Therapie

lokales Behandlungsverfahren von urothelialen Tumoren mithilfe eines Lasers unter Ausnutzung spezifischer Absorptionen photosensitiver Substanzen. Die somit angeregten Substanzen entfalten eine lokale zytotoxische und somit antineoplastische Wirkung

Anschrift des Verfassers

PD Dr. R. Souchon

Strahlenklinik

Allgemeines Krankenhaus Hagen gGmbH

Grünstr. 35

58095 Hagen