Zusammenfassung
Ein permanent von der Hand abstehender Kleinfinger ist häufig, aber nicht immer Folge
einer Schädigung des N. ulnaris. Es werden fünf Fälle vorgestellt, die wegen einer
neu aufgetretenen beeinträchtigenden Abduktionsfehlstellung des Kleinfingers unter
dem Verdacht einer Ulnarisparese zugewiesen worden waren.
Klinische, elektrodiagnostische und bildgebende Untersuchungen führten zu unterschiedlichen
Diagnosen, die das Spektrum der Differenzialdiagnose aufweisen. Während ein vollständiger
Ausfall des N. ulnaris meistens nur eine geringe und nicht obligate Abduktionsfehlstellung
des Kleinfingers bewirkt, führt ein partieller Ausfall des N. ulnaris mit Erhaltung
der Funktion des M. abductor digiti minimi häufig zu einer deutlicheren und nicht
selten beeinträchtigenden Abduktionsfehlstellung. Erst wenn eine Rückbildung nicht
mehr zu erwarten ist und der abstehende Kleinfinger den Gebrauch der Hand behindert,
sind operative Maßnahmen zu empfehlen.
Als Ursache einer derartigen neurogenen Abduktionsfehlstellung werden eine Läsion
des R. profundus distal des Abganges der motorischen Hypothenaräste, eine inkomplette
Verletzung des N. ulnaris, bei der sich nach partieller Rekonstruktion eine neuromuskuläre
Hyperaktivität des M. abductor digiti minimi entwickelt hatte, und eine Syringomyelie
vorgestellt.
In zwei weiteren Beispielen ist eine traumatisch bedingte Abduktionsstellung des Kleinfingers
auf eine Bänder- respektive Muskelschädigung zurückzuführen. Der abstehende Kleinfinger
imitierte das klinische Bild des Wartenberg-Zeichens nur oberflächlich. Eine genaue
klinische Untersuchung wies Unterschiede zum echten „Wartenberg-Zeichen“ auf, dem
eine neurogene muskuläre Dysbalance zugrunde liegt.
Elektrodiagnostik und MRT waren hilfreiche Zusatzuntersuchungen.
Abstract
The abduction stance of the small finger is frequently, but not necessarily due to
ulnar nerve paresis. Five cases suffering from bothersome permanent abduction of the
small finger and referred under the diagnosis of ulnar nerve paresis are presented.
Clinical, electrodiagnostic and imaging evaluation revealed different causes.
While partial paresis with the function of the abductor digiti minimi muscle preserved
usually results in a disturbing abduction stance, complete paresis of the ulnar nerve
causes a less severe abduction posture of the small finger.
Operative measures are indicated when the stance of the small finger is disturbing
and when sufficient time has passed to make sure that spontaneous recovery cannot
be presumed.
Clinical, electrodiagnostic and imaging evaluation of three neurogenic cases disclosed
a lesion of the ramus profundus distal to the branches innervating hypothenar muscles
in one case, ulnar nerve injury with neuromuscular hyperactivity of the abductor digiti
minimi muscle following split repair in another case and syringomyelia in the third
case.
Two patients revealed an abduction posture of the little finger of non-neurogenic
origin. One of them showed closed ligament injuries. The other patient revealed necrosis,
scarring and contracture of hypothenar muscles and atrophy of the third palmar interosseous
muscle following compression in a tight cast.
Schlüsselwörter
Wartenberg-Zeichen - N. ulnaris - Abduktionsdeformität des Kleinfingers - Connexus
intertendineus - Syringomyelie - neuromuskuläre Hyperaktivität - Myokymie
Key words
Wartenberg's sign - ulnar nerve - abduction deformity of the small finger - connexus
intertendineus - syringomyelia - neuromuscular hyperactivity - myokymia