Geburtshilfe Frauenheilkd 2003; 63(6): 560-565
DOI: 10.1055/s-2003-40475
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zum Einfluss der WHI-Studie auf die Hormonsubstitution in der Praxis - Ergebnisse einer Umfrage unter Frauenärzten/innen in Berlin

Has the WHI Study Affected Hormone Replacement Therapy in Clinical Practice? A Survey of Gynecologists in BerlinA. Jantke 1 , K. J. Bühling 1 , J. Sehouli 1 , B. Pfüller 1 , H.-J. Hindenburg 2 , W. Lichtenegger 1
  • 1Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Direktor Prof. Dr. W. Lichtenegger), Charité Campus Virchow-Klinikum, Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin
  • 2Praxis Dr. H.-J. Hindenburg, Berlin
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Publikationsverlauf

Eingang Manuskript: 13. März 2003 Eingang revidiertes Manuskript: 18. April 2003

Akzeptiert: 22. April 2003

Publikationsdatum:
07. Juli 2003 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung

Kaum eine Studie hat in der Vergangenheit in unserem Fach zu einer derartig emotional belegten Diskussion geführt wie die Women's Health Initiative Study (WHI). In der vorliegenden Studie sollte daher der aktuelle Einfluss der WHI-Studie auf das praktische Management in der gynäkologischen Arztpraxis erfragt sowie hieraus resultierende Veränderungen analysiert werden.

Methodik

Im September 2002 wurden 558 anonymisierte Fragebogen an alle niedergelassenen Gynäkologen/innen in Berlin versendet. Schwerpunkt der Befragung war das Management und die Indikationen vor und nach der Veröffentlichung der WHI-Studie.

Ergebnisse

Die Rücklaufquote betrug 229 (41 %). Während in der Gruppe der Ärzte mit einem Dienstzeitalter bis zu 20 Jahren (50. Perzentile) 49 % angaben, nach Publikation der WHI-Studie weniger Hormone zu verordnen, waren es bei den Gynäkologen mit einer Dienstzeit von mehr als 20 Jahren nur 27 % (p = 0,001). Lediglich 13 % der befragten Ärzte fühlten sich durch Fortbildungsveranstaltungen und die Medien „sehr gut informiert“. 73 % gaben an, „gut bis mäßig informiert“ zu sein und 14 % fühlten sich „schlecht informiert“. Nur 10 % der Befragten gaben an, den derzeitigen Meinungsbildnern zu vertrauen. Der gleiche Anteil (11 %) vertraute den Meinungsbildnern „gar nicht“. Die Kollegen mit einer Dienstzeit von mehr als 20 Jahren vertrauten den Meinungsbildnern dabei tendenziell eher (14 %) im Vergleich zu den kürzer Tätigen (6 %) (p > 0,05).

Schlussfolgerung

Der vorzeitige Abbruch eines Studienarms einer der größten in den USA durchgeführten Studien zur Hormonersatztherapie hat zu einer großen Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Medien und der Laienpresse geführt. Unsere Umfrage macht deutlich, welche große Unsicherheit bei der HRT durch die WHI-Studie hervorgerufen wird, während die recht hohe Rücklaufquote das Interesse an dieser Thematik deutlich macht.

Zur endgültigen Abklärung des Nutzens und der Risiken bei der in Deutschland eingesetzten HRT sind weitere Studien notwendig.

Abstract

Purpose

The discontinuation of one arm of the Women's Health Initiative (WHI) study in 2002 received much attention in the lay and the professional media worldwide. We studied whether the results of the WHI study affected clinical management of hormone replacement therapy (HRT) by practicing gynecologists.

Methods

In September 2002 we sent structured questionnaires to all practicing 558 gynecologists in Berlin to survey their management of HRT before and after publication of the WHI study. Results were analyzed according to how long the physicians had been in practice.

Results

The overall response rate was 41 %. Of physicians in practice for less than 20 years, 49 % prescribed HRT less frequently after release of the WHI findings, compared with 27 % of physicians in practice for more than 20 years (P = 0.001). Overall, 13 % of physicians considered themselves well informed on the subject of HRT, 73 % felt themselves well to adequately informed, and 14 % felt poorly informed. 10 % of physicians expressed trust in current opinion leaders whereas 11 % expressed no trust. Physicians in practice for more than 20 years tended to trust opinion leaders more often than their younger colleagues did (14 vs. 6 %, P > 0.05).

Conclusion

Our survey indicates that the WHI results have affected clinical practice regarding HRT in Germany and have caused uncertainty among physicians. The high response rate reflects interest in the subject.

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Dr. med. Andreas Jantke

Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Charité Campus Virchow-Klinikum

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

eMail: DrmedJantke@aol.com

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