Laryngorhinootologie 2003; 82(5): 307-311
DOI: 10.1055/s-2003-39734
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Pilz-Verwirrung: Anmerkungen zum diskutierten pilzimmunologischen Hintergrund der chronischen Rhinosinusitis mit und ohne Polyposis

The Mycota-Confusion: Commentary on the Discussion Mycota-Immunological Background of the Chronic Rhinosinusitis With or Without PolyposisH.  Stammberger1
  • 1Krankenanstalten GesmbH, HNO-Universitätsklinik, Graz
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Publication Date:
11 June 2003 (online)

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Wohl kaum eine Hypothese hat in den letzten Jahren zu so kontroversieller Diskussion - aber auch vielen Missverständnissen - geführt wie die von J. Ponikau u. Mitarb. seit 1999 veröffentlichten Aussagen, dass die meisten - wenn nicht alle - Formen von chronischer Rhinosinusitis (CRS) auf eine immunologische Reaktion auf eingeatmete Pilze zurück gehe [1]. Bei über 200 konsekutiven CRS-Patienten wiesen Ponikau u. Mitarb. in nahezu allen Fällen Pilze im Nasenschleim nach, welche regelmäßig von Anhäufungen von Eosinophilen, so genannten „Clustern” umgeben waren. Auch bei einer Kontrollgruppe von Nebenhöhlengesunden wurden bei weit über 90 % die gleichen Pilzspezies im Nasenschleim nachgewiesen, allerdings mit dem Unterschied, dass sich hier keine Anhäufungen von eosinophilen Zellen um die Pilzfragmente im Schleim fanden. Bei den Patienten mit chronischer Rhinosinusitis konnte die Arbeitsgruppe zeigen, dass große Mengen von Major Basic Protein (MBP), einem sehr toxischen Granulaprotein der Eosinophilen, im Schleim - und nur dort - freigesetzt und um die Pilze abgelagert wurde [2]. Dabei würden offenbar die Pilze zumindest teilweise zerstört und andererseits durch die hohe MBP-Konzentration das Schleimhautepithel massiv geschädigt. Ponikau et al. folgerten aus diesen Befunden, dass aus noch unbekannten Gründen die bei praktisch jedermann im Nasenschleim nachzuweisenden Pilze bei manchen Menschen vom Immunsystem als „Angreifer” eingestuft und mit einer eosinophilenmediierten Entzündungsreaktion abgewehrt bzw. zerstört würden. Dies geschehe über die Freisetzung von MBP, welches seinerseits das Schleimhautepithel samt Zilien schädige, großflächig destruiere und so eine chronische Rhinosinusitis induzieren, unterhalten bzw. bakterielle Superinfektionen erleichtern würde.

Da die Befunde: massive Eosinophilie des Schleims (sog. „Allergic Mucin”), Nachweis von Pilzen entweder histologisch und/oder über Kultur aus dem Nasenschleim, sowie chronische Rhinosinusitis/diffuse Polyposis als die klassischen Kriterien der so genannten AFS (Allergischen Pilzsinusitis, Allergic Fungal Sinusitis) gelten, das zusätzlich postulierte Kriterium „IgE-mediierte Allergie” jedoch weder in der bisherigen Literatur noch in den Untersuchungen der Mayo-Clinic in einem signifikanten Prozentsatz nachgewiesen werden konnten, schlugen Ponikau u. Mitarb. die Bezeichnung EFRS („Eosinophilic Fungal RhinoSinusitis”) für dieses Krankheitsbild vor.

Dieses „Ersetzen” des ohnehin noch nie sonderlich klar definierten Krankheitsbildes „AFS” durch den Definitionsvorschlag „EFRS” war und ist einer der Gründe für viele Missverständnisse [3]. Auch die Tatsache, dass der Nachweis von Pilzen im Nasenschleim bestimmter spezifischer Techniken bedarf, die nicht sofort in jedem Labor umsetzbar sind und daher etliche Versuche, die Ergebnisse der Mayo-Clinic zu reproduzieren zunächst scheiterten [3] [4], trugen und tragen zur teilweise äußerst emotionell geführten Diskussion bei. Berichte der Mayo-Clinic über Erfolge einer Lokalbehandlung bei CRS und Polyposis mit Antimykotika (Amphotericin-B) [5], die bisher auch nicht uneingeschränkt an anderen Kliniken reproduziert werden konnten, hinterließen bei vielen HNO-Ärzten ein zwiespältiges Gefühl und eine Verunsicherung, was von diesen neuen Hypothesen, Befunden und Aussagen zu halten sei.

Literatur

Prof. Dr. Heinz Stammberger

Krankenanstalten GesmbH · HNO-Universitätsklinik

Auenbrugger Platz 26/28 · A-8036 Graz · Österreich