Z Sex Forsch 2003; 16(1): 51-65
DOI: 10.1055/s-2003-38718
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Konzepte der Bisexualität

Ulrich Gooß
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Publikationsdatum:
16. April 2003 (online)

Zusammenfassung

Die Bisexualität, so lässt sich eine der Thesen des Autors zusammenfassen, wurde in Theorie und Praxis gleichsam vom Zwang zur Monosexualität marginalisiert. Erst in den siebziger Jahren habe ein Prozess eingesetzt, in dessen Folge die Bisexualität sich als manifeste Sexualform konstituierte. Ausgedrückt hat sich das u. a. in der Selbstorganisation bisexueller Männer und Frauen und in der inzwischen geläufigen Klassifizierung der sexuellen Orientierungen in hetero-, homo- und bisexuell wie in der ICD-10. Gleichwohl wird, wie der Autor darlegt, die Bisexualität nach wie vor als ein transitorisches Phänomen oder als eine Abwehrformation begriffen. Demgegenüber plädiert er dafür, die Bisexualität als eigenständige, nicht aus der Hetero- und Homosexualität abgeleitete Form der Sexualität zu konzipieren oder, anders ausgedrückt, sie als eine spezifische Form der Differenzierung der erotischen Phantasien zu begreifen. Ausgehend von dieser Prämisse kommt der Autor zu dem Schluss, dass Bisexuelle nicht Männer und Frauen als solche erotisch besetzen, sondern dass sie aufgrund ihrer Struktur sich vor allem von Männern und Frauen sexuell angezogen fühlen, die, wie sie selber, die Geschlechter bisexuell erotisieren. Das aber würde bedeuten, dass Bisexuelle sich sexuell gegenseitig anziehen.

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1 Auf dieses Bild des Bisexuellen nimmt übrigens nicht ohne Ironie der Name eines amerikanischen Bisexuellenmagazins Bezug, der da lautet ATM=Anything that moves.

Dr. Ulrich Gooß

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