Fortschr Neurol Psychiatr 2003; 71(4): 171
DOI: 10.1055/s-2003-38505
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Anmerkungen zur Systematik der vaskulitischen Polyneuropathien

Commentary on the Systematics of Vasculitic PolyneuropathiesB.  Neundörfer1
  • 1Neurologische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
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Publication Date:
04 April 2003 (online)

Seit der Erstbeschreibung einer entzündlichen Gefäßerkrankung durch Kussmaul und Maier [1] wurden immer wieder Versuche unternommen, die verschiedenen Krankheitsbilder in einem einheitlichen Klassifikationsschema zu definieren. Der letzte Versuch stammt aus dem Jahr 1994, als in Chapel Hill eine Konsensuskonferenz stattfand, die die Einteilung der primären systemischen Vaskulitiden nach Größe der betroffenen Gefäße vornahm [2]. Wie schwer sich die Autoren solcher Klassifikationsschemata tun, sieht man daran, dass bei einem Vergleich der Klassifikationsschemata der Chapel-Hill-Konsensuskonferenz und der „The American College of Rheumatology 1990 criteria for the classification of vasculitis” [3] [4] nur bei 5 von 24 Patienten dieselbe Diagnose gestellt werden konnte, wobei es sich ausschließlich um Fälle Wegenerscher Granulomatose handelte [5]. Bemerkenswerterweise wurden im Hinblick auf Polyneuropathien, die durch eine Vaskulitis der Vasa nervorum bedingt sind, diejenigen, die sich ausschließlich an diesen abspielen, die so genannten „nicht systemischen Vaskulitiden” nicht berücksichtigt.

Heuß u. Mitarb. haben nun im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) einen Versuch gemacht, die vaskulitischen Polyneuropathien (PNP) zu klassifizieren und Diagnostik sowie Therapie zu standardisieren. Auch sie halten sich in Bezug auf die primären systemischen Vaskulitiden an die Chapel-Hill-Klassifikation, die sich ja nicht nach ätiologischen Gesichtspunkten orientiert, sondern morphologische Phänomene wie Größe der betroffenen Gefäße zur Richtschnur nimmt. Ein Bruch im benutzten Klassifikationsschema findet insofern statt, als dass bei den sekundär systemischen Vaskulitiden nach vorwiegend ätiologischen Kriterien vorgegangen wird. Allerdings ist diese Vorgehensweise die wohl international am meisten akzeptierte, in der sich auch die verschiedenen, involvierten Fächer wie Rheumatologie, Immunologie sowie Neurologie wiederfinden können. Die Autoren fügen neben den primären und den sekundär systemischen Vaskulitiden eine dritte Gruppe hinzu, die sie „nicht systemische Vaskulitiden” nennen. Sie spielt sich isoliert an der Haut, dem ZNS und dem peripheren Nervensystem ab. Hervorzuheben ist, dass die Polyneuropathien bei nicht systemischer Vaskulitis keine serologischen Veränderungen aufweisen, so dass sie nur durch eine Muskel- und Nervenbiopsie diagnostiziert werden können. Immerhin gehören ca. ⅓ der Fälle mit PNP bei nicht systemischer Vaskulitis in diese Kategorie. Zu betonen ist, dass im Kollektiv von Engelhardt [6] ca. die Hälfte der Fälle mit vaskulitischer PNP eine symmetrisch sensible PNP aufwies, ein Befund, der im dem Konsensuspapier von Heuß u. Mitarb. nicht genügend Beachtung gefunden hat. Ansonsten stellt die Arbeit von Heuß u. Mitarb. eine sehr detaillierte und gelungene Auseinandersetzung mit dem Thema der vaskulitischen PNP dar, der man nur eine weite Verbreitung wünschen kann.

Literatur

  • 1 Kussmaul A, Maier R. Über eine bisher nicht beschriebene eigentümliche Arterienerkrankung (Periarteritis nodosa), die mit Morbus Breightii und rapid fortschreitender allgemeiner Muskellähmung einhergeht.  Dtsch Arch Klin Med. 1866;  1 484-518
  • 2 Jennette I C, Falk R J, Andrassy K, Bacon P A, Churg J, Gross W L. et al . Nomenclature of systemic vasculitides. Proposal of an international consensus conference.  Arthritis Rheum. 1994;  37 187-192
  • 3 Hunder G G, Arend W P, Bloch D A, Calabrese L H, Fauci A S, Fries J F, Leavitt R Y, Lie J T, Lightfoot jr R W, Masi A T, McShane D J, Michel B A, Mills J A, Stevens M B, Wallace S L, Zvaifler N J. The American College of Rheumatology 1990 Criteria for the Classification of Vasculitis.  Arthritis Rheum. 1990;  33 1965-1987
  • 4 Hunder G G, Bloch D A, Michel B A, Stevens M B, Arend W P, Calabrese L H. et al . The American College of Rheumatology 1990 criteria for the classification of giant cell arteritis.  Arthritis Rheum. 1990;  33 1122-1128
  • 5 Bruce I M, Bell A L. A comparison of two nomenclatur systems for primary systemic vaskulitis.  BrJ Rheumatol. 1997;  36 453-458
  • 6 Engelhardt A. Vaskulitische Neuropathien. Klinische und nervenbioptische Befunde. Regensburg: S. Roderer 1994

Prof. Dr. B. Neundörfer

Neurologische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg

Schwabachanlage 6

91054 Erlangen

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