Zentralbl Chir 2003; 128(2): 148-149
DOI: 10.1055/s-2003-37787-2
Kommentar

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W. Lang
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Publication Date:
11 May 2004 (online)

Die Vermeidung einer Hämatombildung infolge intra- und postoperativer Blutungen durch eine sorgfältige operative Technik und postoperative Nachbehandlung ist auch für den Erfolg einer Varizenoperation entscheidend. Bei Eingriffen am epifaszialen Venensystem muss stets mit venösen Blutungen gerechnet werden, die besonders bei ausgedehnteren Varizen die Komplikationsrate potenziell erhöhen [1] [10]. Die allgemeinen Vorteile einer besseren Übersicht im Operationsgebiet, einer erleichterten atraumatischen Präparation und einer Einschränkung des Blutverlustes [9] führten bereits vor 37 Jahren zur Vorstellung der Vorteile einer Operationstechnik in Blutleere. Die dringende Notwendigkeit einer Blutleere bei Varizenoperationen ergab sich jedoch erst durch die Einführung der endoskopischen Perforansvenenchirurgie, wobei sich auch hier die Anwendung auf bestimmte Operationstechniken beschränkt und viele Methoden gänzlich auf einen blutleeren Operationssitus verzichten können [6]. In der vorliegenden Arbeit weisen W. Lahl et al. auf die Vorteile der Blutleere für eine innovative Varizenchirurgie hin. Ein wesentlicher Aspekt für deren Anwendung ist die Vermeidung systemischer Komplikationen. Die Ergebnisse intraoperativer Veränderungen verschiedener Herz-/Kreislaufparameter sowie der Blut- und Atemgase bei 155 Patienten (Erfahrungen mit 3 476 Varizenoperationen mit der Löfqvist-Rollmanschette) reihen sich in die Resultate experimenteller Untersuchungen über die ultrastrukturellen, biochemischen und funktionellen Auswirkungen von Blutsperren ein. Sarkar hat in einer ausgezeichneten Übersicht strukturelle Schäden und Funktionsbeeinträchtigungen der Muskulatur und des Nervengewebes, Gewebeschäden, Reperfusionsphänomene und viele weitere belegte Daten zusammengefasst [9]. Seine Darstellung zeigt, dass Pulsfrequenz, systolischer und diastolischer Blutdruck (unblutige Messung), pH-Wert, pCO2, BE, CO2-Partialdruck der Atemluft einer willkürlichen Patientengruppe nur unvollständig systemische Auswirkungen einer Blutleere/-sperre bei einer Varizenoperation widerspiegeln können. Die von W. Lahl et al. bereits früher hervorgehobenen Vorteile einer Varizenoperation in Blutleere [5] sind bestechend auch unsere Arbeitsgruppe propagiert deren Vorzüge [7]. Wer die diffusen, manchmal massiven Blutungen auch aus Stich- und Miniinzisionen bei Varizenoperationen kennt, schätzt die operationstechnisch gesehen ästhetischere Variante in Blutleere. Leider fehlt für die Vorteile der wissenschaftlich begründete Nachweis. Bislang ist keine prospektive randomisierte Studie bekannt, die den Nutzen einer Blutsperre/-leere bei einer Varizenoperation belegt. Auch die vorliegende Arbeit von W. Lahl et al. bleibt den Nachweis eines Vorteils schuldig zeigt lediglich fehlende systemische Nachteile (mittels ausgewählter Parameter) auf. Der Versuch, den Effekt einer Blutleere bei elektiven Varizenoperationen bezüglich Blutverlust, Hämatombildung und Lebensqualität anhand einer prospektiv randomisierten Studie nachzuweisen ist erst jüngst gescheitert (... Tourniquet use may be of clinical value. A larger study is required to assess the significance ...) [3]. Nicht vergessen werden sollten spezifische Komplikationen der Blutleere-/sperre bei der Varizenoperation, die sich zu den allgemeinen Komplikationen des Eingriffs addieren. Mangels ausreichender Studien lassen sich die Komplikationen oder Nachteile bislang neben persönlichen Gesprächen (z. B. individuelle unpraktische Handhabung, kurze Lebensdauer einer Löfqvist-Manschette, verlängerte OP-Zeit, etc.) nur zwischen den Zeilen prospektiver randomisierter Studien anderer Zielrichtung herauslesen. Hautnekrosen durch die Löfqvist-Manschette und Verbrennungen der Haut (z. B. durch Metallstopper der Manschette) liegen zwar nur im Bereich eines Prozentes [2] [4] [8] müssen aber bei der Einschätzung der Effektivität einer Blutleere bei Varizenoperationen berücksichtigt werden. Auch Lahl et al. weisen auf die Möglichkeit von Hautläsionen oder Hämatomen in einer früheren Arbeit hin [5].

Fazit: Die Anwendung einer Blutleere-/sperre mittels Löfqvist-Manschette oder pneumatischer Standardmanschette ist keine conditio sine qua non der Varizenchirurgie, unter Abwägung der Vor- und Nachteile ergibt sich jedoch ein hilfreiches Werkzeug, welches vor allem bei ausgedehnter Varikosis einen Trend zu geringeren Blutungskomplikationen und einer besseren Übersicht im Operationsgebiet (z. B. bei der Mündungsligatur der Vena saphena parva) zeigen kann.

Literatur

  • 1b Balzer K. Komplikationen bei Varizenoperationen.  Zentralbl Chir. 2001;  126 537-542
  • 2b Bergan J J. Subfascial endoscopic perforator vein surgery: a preliminary report.  Ann Vasc Surg. 1996;  10 211-219
  • 3b Fowler A, Stechman M, Mitchell D. A randomisied controlled trial of the effect of Esmarch tourniquet use on blood loss, bruising and quality of life in elective varicose vein surgery.  Phlebology. 2002;  17 10-12
  • 4b Gloviczki P, Bergan J J, Menawat S S, Hobson R W, Kistner R L, Lawrence P F. Safety, feasibility, and early efficacy of subfascial endoscopic perforator surgery: a preliminary report from the North American registry.  J Vasc Surg. 1997;  25 94-105
  • 5b Lahl W, Albrecht H -G. Optimierung der Varizenchirurgie durch Anwendung der Blutleere.  Phlebologie. 2000;  29 134 136
  • 6b Lang W. Die Entwicklung der Perforansvenenchirurgie vom offenen Verfahren nach Linton und Cockett zur endoskopischen Dissektion.  Zentralbl Chir. 2001;  126 495-500
  • 7b Meyer T, Weber H, Lang W. Varizenoperationen in Blutleere. Vorteile der konventionellen Technik mit einer Standardmanschette.  Vasomed. 1997;  9 69-71
  • 8b Nelzén O. Prospective study of safety, patient satisfaction and leg ulcer healing following saphenous and subfascial endoscopic perforator surgery.  Br J Surg. 2000;  87 86-91
  • 9b Sarkar M R, Kinzl L. Blutleere und Blutsperre.  Operat Orthop Traumatol. 1999;  11 243-251
  • 10b Villavicencio J L, Gillespie D L, Kreishzman P. Controlled ischemia for complex venous surgery: the technique of choice.  J Vasc Surg. 2001;  34 947-951

Dr. med. PD Werner Lang


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