Aktuelle Rheumatologie 2003; 28(1): 13-14
DOI: 10.1055/s-2003-37168
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

EditorialJ.  P.  Kaltwasser, B.  Möller
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Publication Date:
10 February 2003 (online)

Tageskliniken sind in unserem medizinischen Versorgungssystem zumeist konzipiert, um eine Lücke zwischen den beiden tragenden Säulen des Versorgungssystems, der ambulanten und der vollstationären Einrichtungen, zu füllen. Tageskliniken sind also an der Schnittstelle dieses dualen Systems angesiedelt, wo eine konventionelle ambulante Versorgung nicht mehr ausreicht, eine vollstationäre Behandlung aber noch nicht unbedingt erforderlich ist.

Insbesondere Fachgebiete, die sich hauptsächlich mit chronisch verlaufenden, oft nicht heilbaren Erkrankungen befassen, greifen derzeit zunehmend diese für unser Gesundheitssystem noch relativ innovative Versorgungsform auf. In der Geriatrie, der Onkologie, der Neurologie, Psychiatrie und Diabetologie beispielsweise ist heute bereits eine größere Zahl tagesklinischer Einrichtung in das Versorgungssystem integriert worden. In der rheumatologischen Krankenversorgung sind erst vor wenigen Jahren erste Tageskliniken entstanden. Einrichtungen im benachbarten Ausland, wie z. B. das Jan van Breemen Institut in Amsterdam oder tagesklinische Einrichtungen in Großbritannien, dienten dabei als Anregung und Vorbild.

Tageskliniken sind typischerweise und auch sinnvollerweise in städtischer Umgebung bzw. in Ballungsräumen angesiedelt. Das Einzugsgebiet einer Tageklinik wird im allgemeinen durch einen Radius von ca. 30 km definiert, um einen akzeptablen, zumutbaren An- und Abfahrtsweg zu gewährleisten und die spezifischen Lebensbedingungen chronisch Kranker, im Falle der Rheumatologie, zusätzlich insbesondere mit Behinderungen am Bewegungsapparat, zu berücksichtigen.

Aufgrund ihrer Positionierung zwischen der ambulanten und stationären Versorgung sind Tageskliniken in besonderem Maße auf eine gute Kooperation sowohl mit den niedergelassenen Allgemein- und Gebietsärzten als auch mit den stationären Einrichtungen angewiesen. Die Anbindung an klinische Einrichtungen der Regel- und Maximalversorgung in Ballungsräumen ermöglicht den Tageskliniken die Ausnutzung des klinischen Hinterlandes mit seinen diversen diagnostischen und therapeutischen Angeboten, die dem Patienten in koordinierter Form zugänglich gemacht werden können. Dazu gehören im Falle der Rheumaversorgung auch und im besonderen Maße die Berufsgruppen der Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Psychologen. Patientenschulung und Anleitungen zu späterer Selbsthilfe sind dabei wesentliche Teilelemente eines tagesklinischen Versorgungsprogramms.

In dem vorliegenden Heft der Aktuellen Rheumatologie wird in insgesamt 7 Beiträgen aus 6 unterschiedlichen Tageskliniken, die in Bensheim, Berlin, Frankfurt am Main, München und Rostock angesiedelt sind, über die jeweiligen Erfahrungen bei der Konzeption und Einrichtung einer rheumatologischen Tagesklinik berichtet. Die dargestellten Tageskliniken haben vor 3 bis 4 Jahren ihre Tätigkeit begonnen. Neben der Schilderung der Bedingungen und Voraussetzungen bei der Gründung der jeweiligen Tagesklinik wird über Zusammensetzung des Patientengutes, Diagnosespektren und über erzielte therapeutische Resultate bei ausgewählten Diagnosegruppen, wie Rheumatoide Arthritis, Spondylarthropathien oder Osteoarthrose, berichtet. Das Spektrum der in den Tageskliniken versorgten Patienten ist in den dargestellten Einrichtungen durchaus unterschiedlich, spiegelt aber im Wesentlichen das gesamte dem rheumatischen Formenkreis zugerechnete Diagnosespektrum wider. Bemerkenswert ist die in allen Tageskliniken registrierte hohe Zufriedenheit der Patienten mit dem Versorgungsangebot. Hervorgehoben werden die sonst nur in vollstationären Einrichtungen erreichbare Therapiedichte und der komprehensive, komplexe Charakter des diagnostischen und therapeutischen Angebots. Das Verbleiben im familiären, häuslichen Verbund während der tagesklinischen Behandlung wird von den Patienten überwiegend als attraktiv und insbesondere bei Frauen, die Kinder oder Angehörige zu versorgen haben, als ihren Bedürfnissen adäquat empfunden. Die dargestellten Behandlungsergebnisse zeigen, dass mit dem tagesklinischen Ansatz nicht nur eine hohe Patientenzufriedenheit, sondern auch bei den Einschränkungen des Bewegungsapparates Korrekturen im Sinne der Wiedererlangung der Selbstversorgungsfähigkeit erreicht werden. Erkennbar wird an den dargestellten Erfahrungen in den 6 Tageskliniken auch, dass mit dem komprehensiven Diagnostik/Therapie- und Schulungsangebot einem zukünftig wachsenden Bedarf zur Behandlung degenerativer muskuloskelettaler Erkrankungen Rechnung getragen werden kann.

Ob das tagesklinische Versorgungskonzept unter ökonomischen Gesichtspunkten attraktiv und konkurrenzfähig ist, lässt sich gegenwärtig noch nicht überblicken. Detaillierte Analysen in ausländischen Tageskliniken, etwa in England, lassen nur marginale Einsparungen gegenüber der vollstationären Versorgung, allerdings bei relativ gleichwertigen Behandlungsergebnissen, erkennen. Die positive Beurteilung durch Kostenträger, wie sie z. B. von der Rostocker Tagesklinik in ihrem Beitrag berichtet wird und ebenso die durchgehend als optimal geschilderte Auslastung der dargestellten Tageskliniken lassen darauf schließen, dass auch unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten das tagesklinische Versorgungskonzept in der Rheumatologie nicht nur innovativ, sondern auch effektiv sein kann. Gemeinsam mit den Autoren der Beiträge dieses Themenheftes und unseren Tagesklinik-Teams hoffen wir deshalb auf einen weiteren Ausbau und Neuaufbau von rheumatologischen Tageskliniken in der Bundesrepublik in der nahen Zukunft und hoffen zugleich, dass das vorliegenden Themenheft dabei dienlich sein kann.

 





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