Laryngorhinootologie 2002; 81(11): 793-794
DOI: 10.1055/s-2002-35784
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Prionen in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde

Priones in ENTP.-S.  Mauz1
  • 1OA, Univ.-HNO-Klinik Tübingen
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. November 2002 (online)

Einführung: „Prionen in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde”
(P.-S. Mauz, Tübingen)

Konsequenzen einer möglichen Infektion durch die vCJK für den HNO-Arzt
(M. Jaumann, Göppingen)

Empfehlungen der Task-Force vCJK zur Minimierung des Risikos der Übertragung der vCJK durch chirurgische Instrumente
(M. Mielke, Berlin)

Die praktische Umsetzung der RKI-Empfehlungen zur Prävention der Übertragung von vCJK
(P. Heeg, Tübingen)

Im Rahmen der Einführung wurde dargestellt, dass nach der derzeit gültigen Prionentheorie ein Prion die protinaseresistente Isoform eines zellulären Glycoproteins mit einer starken Resistenz gegen Inaktivierungsmaßnahmen ist. Die bekanntesten Prionenerkrankungen sind die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (seit 1920 bekannt), die BSE (seit 1984 bekannt), Scrapie bei Schafen (seit dem 18. Jahrhundert bekannt) und die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit mit einer nicht abzuschätzenden Prävalenz. Die Diagnostik der nvCJD ist entscheidend vom klinischen Bild geprägt. Die Diagnose ist darüber hinaus durch eine Kernspintomographie des Gehirns, durch Nachweis von 14-3-3-Protein im Liquor sowie einen zusätzlichen Prionennachweis in den Tonsillen zu sichern. In Großbritannien sind bisher ca. 100 Patienten verstorben, in Deutschland gibt es bisher keine Todesfälle. Die Übertragung von Mensch zu Mensch findet iatrogen über direkten Kontakt mit infektiösem Gewebe (Dura, Cornea, Wachstumshormone, OP-Bestecke) statt. Das Risiko steigt progressiv mit der Anzahl von Operationen an. Die Infektiosität von Gehirn ist als hoch, von Tonsillen, Lymphknoten und Dura als mittel und von Nasenschleimhaut als gering anzusehen. Die Charakteristika von PrPSc sind Hitzeresistenz, Resistenz gegen Inaktivierungsmaßnahmen durch reichliche Desinfektionsmittel, ionisierende Strahlung, DN-Asen und RN-Asen. Es findet eine starke Bindung an chirurgische Instrumente statt und damit ist die Patientensicherheit bei chirurgischen Eingriffen nicht mehr gewährleistet. Die Risikominimierung kann durch Anwendung von Einmalmaterialien und Einmalinstrumenten stattfinden. Kunststoffinstrumente werden dieses Jahr für Tonsillektomien/Adenotomien von Preis von ca. 130 bis 230 € (Fa. Aesculap) auf den Markt kommen. Wichtig ist weiterhin zur Risikominimierung die Anwendung einer konsequenten und wirksamen Reinigung und Sterilisation. Bei der nvCJD findet die Manifestation im lymphatischen Gewebe vor neuralem Gewebe statt. Eine hypothetische Untersuchung in Großbritannien stellt dar, dass jedes Krankenhaus eine 32 %ige Wahrscheinlichkeit hat ein infiziertes TE-Sieb zu verwenden. Die Konsequenzen aus dem bestehenden Risiko sind eine Verbesserung der Reinigung und Sterilisation von Instrumenten. Aufgrund der potenziellen Gefahr besteht eine Verunsicherung der Patienten mit möglichen juristischen Konsequenzen.

Im Vortrag über Konsequenzen einer möglichen Infektion durch die vCJK für den HNO-Arzt wurde zunächst die große Unsicherheit über Verbreitungsmodus und Wahrscheinlichkeit der nvCJK dargestellt. Es wird vermutet, dass die Übertragung vom Rind auf den Menschen über mit Rindermaterialien hergestellte Produkte stattfindet. Das Expositionsrisiko ist in Großbritannien erheblich größer als in anderen europäischen Ländern. Im Jahr 2001 sind in Großbritannien siebenmal mehr BSE-Erkrankungen bei Rindern aufgetreten als in Deutschland. Für Deutschland werden unter einem „worst-case”-Szenario bis zum Jahr 2040 sechs nvCJK-Fälle erwartet. Weitere Übertragungswege der nvCJK sind chirurgische Instrumente, menschliches Gewebe und möglicherweise Blut und Blutprodukte. Eine besondere Gefahr soll bei Mandeloperationen und Blinddarmoperationen bestehen. Die orale Aufnahme der Erreger kann über die Darmwand mit Hilfe der B-Lymphozyten erfolgen.

Züricher Wissenschaftlern ist zwischenzeitlich eine erfolgreiche Impfung von Mäusen gegen Prionenprotein gelungen. Als Konsequenzen wurde eine verbesserte Darstellung der Übertragungswege der Prionen gefordert. Eine Reinigung und Sterilisation chirurgischer Instrumente mit 134 °C Wasserdampf, 3 Bar Druck und 20-minütiger Haltedauer sei völlig ausreichend. Reinigungsverfahren und Sterilisationsverfahren von Untersuchungs- und Operationsinstrumenten inklusiv flexibler Geräte und starrer Endoskope sind zu verbessern. Es besteht derzeit aufgrund der wissenschaftlichen Kenntnis keine unbedingte Notwendigkeit bei Risikooperationen Einmalinstrumente zu benutzen. Als Fazit ist es wichtig, dass die Problematik moderner Infektionskrankheiten, wie HIV, BSE und nvCJK, weiterhin intensiv untersucht und beobachtet wird.

Im Vortrag über die Empfehlungen der Task-Force CJK zur Minimierung des Risikos der Übertragung der vCJK durch chirurgische Instrumente wurde dargestellt, dass im Jahr 2002 in Großbritannien sechs, Frankreich sechs, in Irland zwei und in Florida ein Fall der nvCJK aufgetreten sind. Aufgrund einer geringen Datenlage ist eine epidemiologische Abschätzung nicht durchführbar. Die Umwandlung von PrPC in PrPSc erfolgt durch eine veränderte räumliche Konfiguration. Die hohe Widerstandsfähigkeit des Erregers erfordert eine besondere Auswahl von Desinfektions- und Sterilisationsmaßnahmen. Der Erreger kann iatrogen übertragen werden. Das Risiko in Deutschland für die nvCJK ist vorhanden, nicht quantifizierbar, unterliegt keiner Altersbeschränkung und es ist keine Screening-Methode vorhanden. Epidemiologische und tierexperimentelle, aber auch molekularbiologische Befunde weisen darauf hin, dass der BSE-Erreger auf den Menschen übertragbar ist. Im Rahmen der Diagnostik kann eine Tonsillenbiopsie bei Verdachtsfällen, bei denen das Krankheitsbild mit vCJK vereinbar ist und im MRT keine bilateralen Signalanhebungen im posterioren Thalamus zu sehen sind, sinnvoll sein. Bei positivem nvCJK-Befund (neuropathologische Bestätigung) sollten Instrumente weggeworfen werden. Bei der Möglichkeit einer nvCJK-Infektion sollten die Instrumente asserviert werden. Die Task-Force empfiehlt zur Minimierung des Risikos einer iatrogenen Übertragung ein abgestuftes Vorgehen bei erkennbarem Risiko sowie bei nicht erkennbarem Risiko. Eine besondere Problematik stellt der Einsatz von flexiblen Endoskopen und bestimmter neurochirurgischer Instrumente aufgrund des hohen Preises dar. Als generelles Vorgehen bei der Aufbereitung von Medizinprodukten aufgrund der Anlage zu Richtlinien für Krankenhausgene und Infektionsprävention wird zunächst eine nicht fixierende Vorreinigung und Vorbehandlung empfohlen, dann eine optimierte standardisierte, wenn möglich alkalische Reinigung sowie eine Dampfsterilisation bei 134 °C mit einer Haltezeit von 18 Minuten. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Minimierung des iatrogenen Übertragungsrisikos durch invasive Medizinprodukte werden höhere Kosten verursachen, welche jedoch nicht allgemein gültig abgeschätzt werden können.

Bei der praktischen Umsetzung der RKI-Empfehlungen zur Prävention der Übertragung von vCJK wurden zunächst die Risikoklassen für die Infektiosität von Geweben dargestellt. Danach sind Lymphknoten und Mandeln in Kategorie 2 (mittlere Infektiosität) einzustufen. Nach einer Publikation von Frosh 1999 liegt die Wahrscheinlichkeit eines kontaminierten TE-Instrumentes nach zehn Jahren bei 30 %. Als Konsequenz aus dem „britischen Modell” muss die Reinigungsleistung verbessert werden, eine höhere chemische Destabilisierung der Proteinstruktur erreicht werden und der Reduktionsfaktor der Sterilisation sollte mindestens 104 betragen. Bei klinisch wahrscheinlicher oder bestätigter nvCJK sollten alle am Patienten angewandte Medizinprodukte in Bauart geprüften Einmalabfallbehältern gesammelt werden. Diese sollten anschließend verbrannt werden. Bei klinisch möglicher vCJK sollten benutzte Medizinprodukte asserviert werden und in V4A-Edelstahlbehältern mit flüssigkeitsdichtschließendem Deckel und Kennzeichnung „Prionen” gesammelt werden. Falls der Verdacht sich nicht bestätigen sollte, können die Instrumente wieder aufbereitet werden. Bei Prionenverdacht sollte über ein Meldeblatt dieses an die Klinikhygiene weitergeleitet werden. Bei nicht erkennbarem Risiko sollten maschinell aufbereitbare Medizinprodukte maschinell dekontaminiert werden bei einer Reinigungstemperatur von maximal 55 °C und einem alkalischen Reinigungsmittel mit PH10 sowie einer Ultraschallreinigung. Dieses sollte anschließend optisch, biochemisch und radiochemisch validiert werden. Anschließend sollte eine Dampfsterilisation im fraktionierten Vakuumverfahren bei 134 °C und einer Haltezeit von mindestens fünf Minuten oder bei 120 °C bei einer Haltezeit von mindestens 20 Minuten durchgeführt werden und anschließend ebenfalls validiert werden. Bei der Aufbereitung von Instrumenten sollte eine persönliche Schutzausrüstung getragen werden, Verletzungen sollten vermieden werden, ebenso wie Spritzer und Aerosole. Bei manuell aufzubereitenden Medizinprodukten sollte eine Dampfsterilisation im fraktionierten Vakuumverfahren bei 134 °C und einer Haltezeit von mindestens 18 Minuten eingesetzt werden. Als ungelöste Fragen wurden vor allem thermolabile Medizinprodukte angesprochen und eine Äthylenoxidsterilisation oder einmalige Verwendung diskutiert.

Dr. med. P.-S. Mauz

OA, Univ.-HNO-Klinik Tübingen

Elfriede-Aulhorn-Straße 5 · 72076 Tübingen

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