Zentralbl Gynakol 2002; 124(6): 336-337
DOI: 10.1055/s-2002-34747
Kasuistik

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pränataler Befund, perinatales Management und postoperativer Verlauf eines Kindes mit Thalamuskavernom

Prenatal Findings, Perinatal Management and Postoperative Course in a Child Suffering From a Cavernous Tumour of the ThalamusJ. H. Stupin1 , W. Henrich1 , Ch. Bührer2 , J. W. Dudenhausen1
  • 1Klinik für Geburtsmedizin
  • 2Klinik für Neonatologie, Charité, Virchow-Klinikum, Humboldt-Universität zu Berlin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
17. Oktober 2002 (online)

Das zerebrale kavernöse Hämangiom oder Kavernom wurde erstmals 1854 von Luschka beschrieben. Es wird als angeborene, gutartige Gefäßfehlbildung im Gehirn (Blutgefäßhamartom), bestehend aus dünnwandigen, erweiterten Gefäßräumen ohne dazwischenliegendes Nervengewebe, definiert. Das zerebrale Kavernom wird oft als „okkulte” zerebrale Gefäßfehlbildung bezeichnet, da es in der Gefäßangiographie nicht darstellbar ist. Seine Ätiologie ist unbekannt, obwohl in letzter Zeit als Ursache eine Entwicklungsstörung diskutiert wird, bei der in der Embryonalperiode mehr Zellen gebildet werden, als für die Formierung von Organen notwendig sind. Diese bilden das künftige Tumorpotenzial. Die Prävalenz wird in großen Autopsie- und MRT-Studien mit 0,4-0,5 % angegeben. Die Inzidenz ist bei Frauen und Männern etwa gleich. Es ist zu etwa 75-80 % supratentoriell (Frontal-, Parietal-, Temporal- und Okzipitallappen, Seitenventrikel, Thalamus) und 15-25 % infratentoriell (Hirnstamm, Medulla, Pons, 3. und 4. Ventrikel, Zerebellum) lokalisiert. In der Fetal- und Neonatalperiode tritt es durch obstruktiven Hydrozephalus sowie intraventrikuläre und intrazerebrale Blutungen in Erscheinung. Meist zeigen sich erste Symptome wie Krampfanfälle, fokale neurologische Ausfälle und intrazerebrale Blutungen jedoch erst in der 2. oder 5. Lebensdekade. Gefürchtet ist das gutartige Kavernom wegen wiederholten intrazerebralen Blutungen und verdrängendem Wachstum. 1971 schlugen Russel und Rubinstein eine Klassifizierung der zerebralen Gefäßfehlbildungen vor, zu denen sie neben den kavernösen Angiomen (25 %) auch arteriovenöse und venöse Fehlbildungen sowie kapilläre Telangiektasien zählten. Kavernöse Angiome treten extrem selten in der Fetal- und Neonatalperiode auf. Wir fanden in unserer Literaturrecherche bis zum Jahr 2001 lediglich 7 Fälle. Eine Lokalisation im Thalamus wurde bisher nur bei Erwachsenen beschrieben.

Wir stellen deshalb hier den ersten publizierten in utero entdeckten Fall eines Fetus mit Hydrozephalus infolge eines Thalamuskavernoms vor, gehen auf die Bedeutung des pränatalen Ultraschalls für die Diagnose und Vorbereitung der Geburt ein und berichten über das Follow-up bis zum Alter von drei Jahren.

Eine 23-jährige IIg Ip wurde in der 37. SSW mit der Verdachtsdiagnose „asymmetrischer fetaler Hydrozephalus” überwiesen. Vorgeschichte und Schwangerschaftsverlauf waren unauffällig. Die Ultraschalluntersuchung in der 20. SSW ergab eine normale fetale Biometrie und Anatomie.

Literatur

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  • 2 Russel D, Rubinstein L J. Pathology of tumors of the nervous system. 5th ed. Williams & Wilkins, Baltimore 1989
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  • 4 Luschka H. Kavernöse Blutgeschwulst des Gehirns.  Virchows Arch Path Anat. 1854;  6 458-470
  • 5 Iwasa H, Indei I, Sato F. Intraventricular cavernous hemangioma.  J Neurosurg. 1983;  59 153-157
  • 6 Moritake K, Handa H, Nozaki K, Tomiwa K. Tentorial cavernous angioma with calcification in a neonate.  Neurosurgery. 1985;  16 207-211
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  • 12 Otten P, Pizzolato G P, Rilliet B, Berney J. A propos de 131 cas d'angiomes caverneux (cavernomes) du SNC, repérés par l'analyse retrospective de 24 535 autopsies.  Neurochirurgie (Paris). 1989;  35 82-83

Jens Stupin

Charité

Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin

Campus Virchow-Klinikum

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

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