Klin Padiatr 2002; 214(4): 145-148
DOI: 10.1055/s-2002-33173
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Pädiatrische Onkologie und Hämatologie auf dem Weg in die neue Krankenhausfinanzierung

Pediatric Hematology and Oncology in Germany: On the verge of a new reimbursement systemF.  Berthold1 , R.  Herold2
  • 1Zentrum für Kinderonkologie der Universität Köln
  • 2Charité Campus Virchow-Klinikum, Koordinationszentrale Kompetenznetz Pädiatrische Onkologie und Hämatologie
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Publication History

Publication Date:
07 August 2002 (online)

Rahmenbedingungen

Am 1. März beschloss der Bundesrat das Gesetz zur Einführung des diagnoseorientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz, FPG). Damit wird die bisherige Mischvergütung von Krankenhäusern aus tagesgleichen Pflegesätzen, Fallpauschalen und Sonderentgelten abgeschafft und auf gänzlich neu strukturierte Fallpauschalen („Diagnosis Related Groups - DRG”) umgestellt. Ziel dieser Neuorientierung auf eine mehr leistungsbezogene Vergütung ist es, die Qualität, Transparenz und Wirtschaftlichkeit der stationären Versorgung zu verbessern und von festen Budgets („Deckelung”) wegzukommen. Das derzeitige System der Mischfinanzierung führt im Durchschnitt zu hohen Verweildauern, weil weitgehend nach Tagen bezahlt wird. So betrug die akutstationäre Verweildauer 1999 in Deutschland 9,9 Tage, während sie in Ländern mit DRG-Abrechnungssystemen wie in Österreich (5,9 Tage), in den USA (5,9 Tage) und in Frankreich (5,5 Tage) deutlich kürzer war. Problematisch bei der Vergütung nach Tagesätzen ist außerdem, dass die konkrete Behandlung für die Abrechnung keine Rolle spielt, was im Rahmen der modernen Medizin zu Missverhältnissen zwischen der tatsächlichen Leistung und der Vergütung führen kann. „Es ist allerdings nicht geplant, über die Einführung der DRGs zusätzliches Budget in die Krankenhäuser zu geben, das Gegenteil ist der Fall. Ziel ist die Umverteilung zwischen den Krankenhäusern. Es wird Gewinner und Verlierer geben” (Karl Heinz Tuschen, Ministerialrat im Bundesministerium für Gesundheit). Um dies zu ermöglichen, soll in Deutschland im Gegensatz zu Australien und allen anderen Ländern mit DRG-Systemen künftig die Krankenhausfinanzierung fall- und flächendeckend, d. h. zu 100 % über DRGs erfolgen (Ausnahme: Psychiatrie). Die Leistungskosten sollen vor der allgemeinen Einführung 2005 auf der Grundlage deutscher Ist-Kosten kalkuliert werden, welche im Wesentlichen mit den derzeit abgerechneten Kosten gleichgesetzt werden.

Das DRG-Fallpauschalensystem fasst eine Vielzahl unterschiedlicher Diagnosen und Prozeduren zu einer überschaubaren Anzahl von Abrechnungsgruppen (DRGs) mit jeweils vergleichbarem wirtschaftlichem Aufwand zusammen. Es muss daher primär als kaufmännisches Instrument und kann nicht als Werkzeug zur Definition und Umsetzung medizinischer Inhalte verstanden werden. Die Selbstverwaltung hatte sich im Vorfeld zu diesem Gesetz am 27. 6. 2000 für das Australien Refined Diagnosis Related Groups (AR-DRG)-System als Grundlage für die neuen Fallpauschalen in Deutschland entschieden. Mit 661 Fallgruppen erschien es hinreichend differenziert, ohne durch zu hohe Komplexität impraktikabel zu werden.

Das australische System wird hauptsächlich als Klassifikationsgrundlage verwendet. Beachtenswert für die Pädiatrie ist, dass ein eigenes pädiatrisches Kapitel fehlt. Darüber hinaus orientieren sich die Kapitel nicht an Fachabgrenzungen, sondern an Organsystemen. Auch wenn damit weder australische Erstattungsbeträge noch australische Medizin nach Deutschland transferiert werden sollen, ist derzeit noch völlig offen, ob die sehr unterschiedliche Struktur der pädiatrischen Onkologie und Hämatologie in Australien bzw. in Deutschland eine leistungsgerechte Abbildung im deutschen System zulässt. Dies betrifft beispielsweise den häufigen Wechsel zwischen stationärer, poliklinischer und tagesklinischer Betreuung, der den Patienten und der differenzierten Behandlungsdurchführung bisher ein hohes Maß an Flexibilität ermöglicht. Ganze Berufsstände wie die Mitarbeiter des psychosozialen Dienstes fürchten derzeit um ihre Existenz, da ihre Leistungen mit den derzeitigen Prozedurenkatalogen nicht abbildbar sind, d. h. bei der Kalkulation von Kosten mit Hilfe des neuen Klassifikationssystems als nicht erbracht erscheinen.

Um die Interessen der GPOH sachgerecht formulieren und vor Entscheidungsträgern der Selbstverwaltung und der Politik vertreten zu können, wurde am Rande der Halbjahrestagung am 25. 11. 2000 eine Arbeitsgruppe gegründet (AG-DRG der GPOH). Sie ist aktives Mitglied in der verbändeübergreifenden pädiatrischen DRG-Arbeitsgruppe, die sich unter der Federführung der Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland etabliert hat (AG-DRG der GKinD).

Prof. Dr. Frank Berthold

Zentrum für Kinderonkologie der Universität zu Köln

Joseph-Stelzmann-Straße 9

50924 Köln

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