Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2002; 37(7): 373-374
DOI: 10.1055/s-2002-32706
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der ösophagotracheale Kombinationstubus - Stellenwert in Anästhesie und Notfallmedizin oder „Spieglein, Spieglein an der Wand, was ist das beste Instrument im ganzen Land?”

The Esophageal Tracheal CombitubeC.  Krier, R.  Georgi
  • 1Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Katharinenhospital, Klinikum Stuttgart
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Publication Date:
08 July 2002 (online)

Über viele Jahrzehnte hinweg waren Gesichtsmaske und endotrachealer Tubus (ET) die hauptsächlichen Werkzeuge zur Atemwegskontrolle; bei größeren und längeren Eingriffen und in der Notfallmedizin hat sich der ET gegen ursprüngliche Widerstände als Goldstandard der Atemwegssicherung positioniert. Bis zur Entwicklung der Larynxmaske in den frühen achtziger Jahren hielt der ET diese Stellung unangefochten. A. I. J. Brains Vorstellung war es, mit der Larynxmaske eine Luftbrücke zu entwickeln, die die Risiken und Probleme der konventionellen endotrachealen Intubation verringert und gleichzeitig mehr Sicherheit und Bedienungsfreundlichkeit für den Anwender gegenüber der Gesichtsmaske bietet [1]. Mit diesen Überlegungen setzte eine neue Entwicklung rund um die Sicherung des Atemweges ein, und in der Folgezeit wurden viele neue Instrumente teils neu erfunden, teils wiederentdeckt und modifiziert, die alle dem gleichen Grundgedanken folgten, nämlich die Risiken des mittels direkter Laryngoskopie einzuführenden endotrachealen Tubus zu umgehen und die schwierige Atemwegssicherung zu meistern: Die Larynxmaske und ihre späteren Modifikationen bis hin zur ProSeal-LMA, der COPA-Tubus, der Larynx-Tubus und der ösophagotracheale Kombitubus.

Im vorliegenden Heft geben die Autoren Hrska et al. aus der Arbeitsgruppe um Michael Frass, der den von Michael und Gordon entwickelten „esophageal obturator airway” wiederentdeckt und wesentlich verändert und verbessert hat, eine hervorragende Übersicht über den aktuellen Stand der Erkenntnisse zum Einsatz des ösophagotrachealen Kombitubus [2]. Die Geräte- und einsatzspezifischen Besonderheiten werden beschrieben und die Vor- und Nachteile gegenüber anderen Methoden der Sicherung der Atemwege diskutiert.

Trotz einer Vielzahl von Untersuchungen über die unterschiedlichen Werkzeuge zur Atemwegssicherung ist bis heute keineswegs klar dargelegt, welches Instrument für welche Indikation das geeignetste sei. Die Wahl des einen oder anderen Gerätes hängt öfters mehr von den Vorlieben des Einzelnen oder der abteilungsinternen Tradition ab, als von gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Eine echte Differenzialindikation besteht nur in Ansätzen [3]. Auch die Algorithmen zum Airwaymanagement der unterschiedlichen wissenschaftlichen Gesellschaften lassen meistens mehrere Alternativen offen - eine Tatsache, die im Vergleich zu anderen Hochrisikosituationen - und die Sicherung des schwierigen Atemweges kann ohne Zweifel als solche bezeichnet werden - etwas erstaunt, sollte man doch erwarten, dass in einer Stresssituation jeder genau wissen sollte, was je nach Situation als erstes zum Einsatz gebracht werden sollte. Allerdings sind die anatomischen und pathophysiologischen Variablen der schwierigen Atemwegssituation so unterschiedlich, dass wohl derzeit eine evidence-basierte Meinung in dieser Frage - welches Instrument in welcher Situation? - nicht geäußert werden kann; die unterschiedlichen Grade der apparativen Ausrüstung und des Wissens- und Erfahrungsniveaus der Akteure kommt erschwerend dazu.

Zum Stellenwert des ösophagotrachealen Kombitubus in der Anästhesie können einige grundlegenden Tendenzen festgestellt werden:

Der routinemäßige Einsatz des ösophagotrachealen Kombitubus in der Anästhesie beim normalen Atemweg kann generell nicht empfohlen werden, dies aufgrund der seltenen aber schwerwiegenden Komplikationsmöglichkeiten Zur Beherrschung einer unerwarteten, überraschend auftretenden schwierigen Atemwegssituation ist der ösophagotracheale Kombitubus neben der Larynxmaske eine sinnvolle Alternative. Genau wie die Larynxmaske benötigt das Instrument keine weiteren Vorbereitungen und ist schnell und sicher einsetzbar. Ein ausreichendes Training ist Voraussetzung zum sicheren Einsatz - dies gilt für alle Methoden, die in der Anästhesie eingesetzt werden. Zur Beherrschung einer bekannten schwierigen Atemwegssituation steht der ösophagotracheale Kombitubus im Wettbewerb mit der fiberoptischen Intubation. Dass zum Einführen des ösophagotrachealen Kombitubus eine tiefe Narkoseeinleitung oder Relaxierung notwendig ist, muss als Nachteil empfunden werden, da bei Nicht-Gelingen des Manövers die letzte „Sicherheitsleine”, nämlich die Spontanatmung des Patienten, möglicherweise nicht mehr zur Verfügung steht. Die Editoren halten die fiberoptisch durchgeführte endotracheale Intubation beim wachen Patienten für das Mittel der Wahl bei diesen Hochrisikopatienten. Weitere Untersuchungen müssen versuchen Klarheit in diese Fragestellung zu bringen. Noch schwieriger erscheint der Stellenwert der unterschiedlichen Werkzeuge zur Atemwegssicherung in der Notfallmedizin. Der ösophagotracheale Kombitubus wurde primär für diese Indikation konzipiert und weist auch unbestrittene Vorteile, zum Beispiel bei schlechten Lichtverhältnissen oder erschwertem Zugang zum Patienten, auf. Hrska et al. 2 führen eine ganze Reihe von Untersuchungen auf, die den sicheren Einsatz des ösophagotrachealen Kombitubus in unterschiedlichen Notfallsituationen belegen. Die „höheren Weihen” hat das Instrument bereits durch die Aufnahme in die europäischen, amerikanischen und internationalen Algorithmen der Hilfsmittel zur Sicherung der Atemwege erhalten 3 4.

Ungeklärt bei der Auswahl des geeigneten Instrumentes in der Notfallsituation bleiben die Prioritäten: Gibt es ein überlegenes Instrument zur Atemwegssicherung in der Notfallmedizin? Viele Notfallmediziner halten am endotrachealen Tubus in dieser Situation als Goldstandard fest - und dies mit überzeugenden Argumenten [5]. Dennoch kann die Tatsache nicht übergangen werden, dass viele als Notarzt eingesetzte Kollegen die Technik der endotrachealen Intubation nicht mit ausreichender Sicherheit beherrschen und dass Fälle nicht erkannter ösophagealer Tubuslagen - der Super-Gau der Atemwegssicherung - immer wieder angetroffen werden. Der ösophagotracheale Kombitubus verdient hier ohne Zweifel weitere Untersuchungen, um seine Effizienz und seine Sicherheit weiter zu untermauern. Des Weiteren sind Trainingskonzepte erforderlich, da der ösophagotracheale Kombitubus - im Gegensatz zum endotrachealen Tubus und der Larynxmaske - naturgemäß viel weniger in der Routine eingesetzt wird und deshalb in der Handhabung - zumindestens in den Händen der Anästhesisten „fremder” ist und sicher auch bleiben wird.

Spieglein, Spieglein an der Wand, was ist das beste Instrument im ganzen Land?

Aufgrund unzureichender Daten verwehrt uns das Spieglein derzeit eine eindeutige Antwort. Möglicherweise wird sich im Spieglein auch nicht ein einziges Instrument als alle Probleme lösendes darstellen. Jedenfalls aber müssen die Bemühungen, die Differenzialindikation für die unterschiedlichen Werkzeuge bei der Atemwegskontrolle zu schärfen, weitergehen; das Risikomanagement bei der Atemwegssicherung erfordert dies im Interesse der Patienten und der Anwender.

Literatur

  • 1 Handke U, Krier C. Larynxmaske. In: Krier C, Georgi R Airway-Management. Die Sicherung der Atemwege. Stuttgart: Thieme 2001: 96-103
  • 2 Hrska F, Hofbauer R, Staudinger T, Schellongowski P, Frass M. Die Bedeutung des ösophagotracheale Kombitubus - Stellenwert in Anästhesie und Notfallmedizin. Anaesthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerther 2002 37: 378-385
  • 3 Georgi R, Krier C. Management der schwierigen Atemwegssituation. In: Krier C, Georgi R Airway-Management. Die Sicherung der Atemwege. Stuttgart: Thieme 2001: 257-271
  • 4 Benumof J L. ASA Difficult Airway Algorithm: New Thoughts ans Considerations. In: Hagberg CA Handbook of Difficult Airway Management. Philadelphia. Churchill Livingstone 2000
  • 5 Dirks B. Sicherung der Atemwege in der Notfallmedizin. In: Krier C, Georgi R Airway-Management. Die Sicherung der Atemwege. Stuttgart: Thieme 2001: 297-303

Prof. Dr. Claude Krier

Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin · Katharinenhospital,
Klinikum Stuttgart

Kriegsbergstraße 60

70174 Stuttgart

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