Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2002; 37(5): 243
DOI: 10.1055/s-2002-30133
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pulmonale Hypertonie - ein Problem in Anästhesie und Intensivmedizin?

Pulmonary hypertension - a problem in anaesthesia and intensive
care medicine?
E.  Schindler, G.  Hempelmann
  • 1Abteilung Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Gießen
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Publication Date:
31 December 2002 (online)

Die schwere pulmonale Hypertonie (PHT) als eigenständiges Krankheitsbild (primäre pulmonale Hypertonie PPH) ist selten. In Deutschland muss mit einer Inzidenz von 100 bis 200 Neuerkrankungen pro Jahr gerechnet werden. Hinzu kommen Patienten mit PHT anderer Genese in etwa vergleichbarer Zahl. In der Regel handelt es sich um Patienten im mittleren Lebensalter. Unbehandelt sterben die Patienten nach Diagnosestellung im Mittel nach 2,8 Jahren.

Eine besondere Gruppe von Patienten mit pulmonaler Hypertonie stellen die Säuglinge und Kinder dar, die ebenso an PPH leiden oder einen angeborenen Herzfehler aufweisen. In den vergangenen Jahren war die PPH eine der häufigsten Indikationen für Doppel-Lungen- und Herz-Lungen-Transplantationen.

Patienten mit pulmonaler Hypertonie sind vital bedroht und stellen daher eine große Herausforderung für einen Anästhesisten dar, da Standardeinleitungsverfahren zwar zu adäquater Narkose, gleichzeitig aber zu unerwünschten hämodynamischen Veränderungen oder erheblichen Desaturierungen der Patienten führen können. Vielfach verändern die pathologischen Zirkulationsverhältnisse die gewohnte Reaktion der Patienten auf übliche Narkoseeinleitungsverfahren oder Beatmungstechniken. Hinzu kommen Mechanismen, mit denen jeder Patient seine spezifische kardiozirkulatorische Situation zu kompensieren versucht, die ebenfalls in das Konzept der Narkoseführung mit einbezogen werden müssen. Einen besonderen Stellenwert erhält daher die Vorbereitung des bevorstehenden Eingriffs und damit verbunden das hämodynamische Monitoring. In jedem Fall ist die transösophageale Echokardiografie (TEE) ein Verfahren, welches nicht nur die Abschätzung wichtiger hämodynamischer Größen erlaubt, sondern auch eine direkte Visualisierung des rechten Herzens gestattet und diesem Patientenkollektiv angeboten werden sollte. Gerade auch zur postoperativen Versorgung dieser Patienten erweist sich die TEE als hilfreich, da die Volumentherapie ein wesentlicher Faktor zur hämodynamischen Stabilisierung darstellt. Durch Optimierung der rechtsventrikulären Vorlast können positive hämodynamische Effekte erzielt werden, wobei der Therapieerfolg entscheidend von der Höhe der Faservordehnung zu Therapiebeginn abhängt. Die Volumentherapie muss unter engmaschigem Monitoring erfolgen, da die Zufuhr sofort abgebrochen werden muss, wenn das Schlagvolumen des rechten Ventrikels abfällt, oder der zentrale Venendruck (ZVD) bei unveränderter Ventrikelfüllung ansteigt.

Für eine adäquate Therapie während und nach einer Narkose ist die Kenntnis der Ätiologie der PHT von elementarer Bedeutung, da sich die Behandlung der Patienten immer am Grundleiden orientiert. Am Beispiel der Prostanoid-Therapie wird deutlich, dass Patienten mit PPH oder pulmonal-arterieller Hypertonie (z. B. Kollagenosen, HIV-Infektion, angeborene Herzfehler mit Shunt-Umkehr) eindeutig von Prostanoiden profitieren, während diese bei Patienten mit pulmonal-venöser Hypertonie oder Lungenfibrosen kontraindiziert sind.

Die PHT ist eine seltene Erkrankung unterschiedlichster Ätiologie. Es handelt sich immer um schwer kranke, vital bedrohte Patienten, die den Anästhesisten und Intensivmediziner vor eine große Aufgabe stellen. Nur sorgfältige Vorbereitung, genaue Kenntnis aller Befunde, entsprechendes Monitoring und adäquate postoperative Nachsorge führen zu einer erfolgreichen Behandlung. Im Rahmen der Fort- und Weiterbildung wird in diesem Heft eine aktuelle Darstellung dieses Themas geboten (S. 284).

Dr. med. E. Schindler

Abteilung Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin,
Universitätsklinikum Gießen

Rudolf-Buchheim-Straße 7

35392 Gießen

Email: es@anesthesiology.de

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