Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2002; 37(2): 66-67
DOI: 10.1055/s-2002-20390
Nachruf
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

In memoriam DDr. h. c. Karl Steinbereithner

In memoriam DDr. h. c. Karl SteinbereithnerS.  Fitzal
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Publication Date:
26 February 2002 (online)

DDr. h. c.
Karl Steinbereithner

Am 28. September 2001 ist Karl Steinbereithner nach langem und unendlich geduldig ertragenem Leiden für immer von uns gegangen. Für viele von uns, die seine bis ins hohe Alter vitale und unermüdlich mit dem Fach verbundene Persönlichkeit im Herzen und im Gedächtnis tragen, ist sein Tod noch immer unfassbar.

Karl Steinbereithner wurde am 18.9.1920 in Weyer/Enns in Oberösterreich geboren. Nach Besuch des humanistischen Gymnasiums in Graz begann Karl Steinbereithner 1938 mit dem Medizinstudium an den Universitäten Graz und Innsbruck, unterbrochen durch Arbeits- und Wehrmachtsdienst sowie Kriegsgefangenschaft, welches er mit der Promotion zum Doktor der gesamten Heilkunde an der Universität Wien am 2. 12. 1948 abschloss. Mit Beginn des Jahres 1949 bis zum Herbst 1951 absolvierte Karl Steinbereithner eine allgemeinchirurgische Ausbildung an der I. Universitätsklinik Wien bei Prof. Schönbauer, ergänzt durch ein internistisches Jahr bei Prof. Fellinger an der 2. Medizinischen Universitätsklinik in Wien. Während dieser Zeit erkannte er schon bald die große Chance an der Entwicklung der in unseren Breiten damals noch in den Kinderschuhen steckenden modernen Anästhesie mitzuwirken und er schloss sich im Herbst 1951 der unter Rudolf Kuchers Leitung stehenden Anästhesiegruppe der I. Chirurgischen Universitätsklinik an. Als in diesem Jahr die Österreichische Gesellschaft der Anästhesiologie gegründet wurde, zählte Karl Steinbereithner bereits zu den Gründungsmitgliedern. Zwei Jahre später gehörte er dem Vorstand dieser Gesellschaft an und organisierte in seiner Funktion als Schriftführer gemeinsam mit R. Kucher, dem damaligen Präsidenten dieser Gesellschaft, den 2. Österreichischen Kongress für Anästhesiologie in Velden am Wörthersee. Sein Facharztdekret erhielt er am 21. 2. 1955 und schon kurz danach, nämlich 1956, wurde er erstmals zum Präsidenten unserer Fachgesellschaft gewählt. In dieser Funktion war er in späteren Jahren noch mehrmals tätig (1962/63, 1970/71, 1977/78, 1986/87).

Als 1961 das Institut für Anästhesiologie an der Universitätsklinik Wien unter Otto Mayrhofer gegründet wurde, in welchem die beiden Anästhesiegruppen der I. und II. Chirurgischen Universitätsklinik zusammengefasst wurden, war Karl Steinbereithner bereits Oberarzt. Seine Habilitationsschrift „Über den Einfluss der Unterkühlung auf den Erregungsablauf des Katzenherzens in situ”, die er am Institut für Pharmakologie der Universität Wien unter Prof. Brücke erarbeitete und wofür ihm 1964 der Kardinal-Innitzer-Preis verliehen wurde, widmete sich zeitgemäß den seinerzeitigen Überlegungen, die Anästhesie durch Hibernation, womit eine weitgehende Dämpfung der vegetativen Reaktionen herbeigeführt werden konnte, zu verbessern. Am 30. 1. 1963 wurde ihm die Venia legendi verliehen und am 21. 4. 1969 wurde er zum a.o. Universitätsprofessor ernannt.

Seit Beginn ihrer Zusammenarbeit bestand zwischen Kucher und Steinbereithner eine tiefe Freundschaft und enge Verbundenheit, die über das Persönliche hinaus auch den Grundstein für eine rege gemeinsame wissenschaftliche wie auch berufspolitische Tätigkeit legte. Eine der Wichtigsten darunter war die Gründung der 1. Intensivbehandlungsstation des Wiener Instituts für Anästhesiologie, die somit auch die 1. Intensivstation Österreichs und die zweite in ganz Mitteleuropa war. Sie wurde von den beiden Freunden alternierend geleitet, nach dem jähen und unerwarteten Tod Kuchers im Jahr 1971 blieb Steinbereithner noch bis 1973 in dieser Funktion. Das gemeinsame Interesse der beiden „Väter der Intensivmedizin in Österreich” mündete auch in dem über viele Jahre hinaus als wichtiges deutschsprachiges Standardwerk anerkannten beim Thieme Verlag erschienenen Lehrbuch „Intensivstation - Intensivpflege - Intensivtherapie, Möglichkeiten, Erfahrungen und Grenzen”, welches eine Neuauflage unter der gemeinsamen Herausgeberschaft mit Hans Bergmann, mit dem Steinbereithner ebenfalls über Jahrzehnte hinweg bis zu seinem Tod eine enge Freundschaft verband, im Jahr 1984 erlebte. Ein ebenso wichtiger Markstein seiner intensivmedizinischen Tätigkeit war der Aufbau der intensivmedizinischen Sonderausbildungskurse des Pflegepersonals, wofür er sich als Lehrer und Prüfer bis weit nach seiner Emeritierung verantwortlich zeigte.

In die frühen Jahre seiner Facharzttätigkeit fielen zahlreiche Studienaufenthalte in Paris, Stockholm, London und Palm Springs sowie in weiterer Folge Gastprofessuren in Caracas, München, Mainz, New York und Pittsburgh. Während dieser Auslandsaufenthalte legte Karl Steinbereithner den Grundstein zu vielen, über Jahrzehnte dauernden Freundschaften mit anerkannten Persönlichkeiten unseres Faches, die regen wissenschaftlichen Austausch über viele Grenzen hinweg garantierten.

Zukunftsorientiert wie Karl Steinbereithner war, strebte er als einer der ersten Anästhesisten Mitteleuropas den Aufbau einer Experimentellen Abteilung für anästhesiologische und intensivmedizinische Forschung an. Mit Inbetriebnahme dieser Abteilung im Jahr 1973 übernahm er sodann auch deren Leitung, die 1982 in ein Ordinariat umgewandelt wurde. Gleichzeitig war er auch Leiter des von ihm 1977 gegründeten „Ludwig Boltzmann Instituts für experimentelle Anästhesiologie und intensivmedizinische Forschung”. In dieser Funktion blieb er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1990. Mit dieser Abteilung wurde der heute selbstverständliche, damals jedoch noch kaum in die Realität umgesetzte Gedanke eines wissenschaftlichen Bindeglieds zwischen Theorie und Klinik geschaffen. Für die zahlreiche Schar seiner Schüler war es eine Ehre, an der Experimentellen Abteilung tätig werden zu dürfen. Strenger Lehrer, der er war, verlangte er von seinen Mitarbeitern jedoch denselben Einsatz, den er selbst immer zu geben bereit war. Der Lohn für seine unendliche Kraft waren > 20 Habilitationsschriften und viele wissenschaftliche Preise sowie darauf aufbauende berufliche Karrieren vieler seiner damaligen Schüler.

Sein wissenschaftliches Werk umfasst rund 650 Publikationen einschließlich mehrerer Monographien, Buchbeiträge, Lehrbücher und Buchreihen, Zeugnis des außerordentlich breiten Spektrums seiner wissenschaftlichen Tätigkeit und Schwerpunkte. Er war auch Mitglied des Redaktionsstabes vieler Fachorgane, wie „Der Anästhesist”, „Notfallmedizin”, „Intensivmedizin”, „Infusionstherapie und Ernährung” und „European Journal of Anaesthesiology”.

Als Mitglied einer großen Zahl in- und ausländischer wissenschaftlicher Fachgesellschaften bekleidete er z. T. hochrangige Positionen, u.a. wurde er 1978 in den Gründungssenat der European Academy of Anaesthesiology gewählt, der er später als Schatzmeister und von 1984 - 1988 als Präsident zur Verfügung stand; bei der Europäischen Sektion des Anästhesie-Weltbundes (WFSA) hatte er 1964 - 1972 die Funktion des assoziierten Sekretärs inne und 1984 - 1988 die des Präsidenten. Infolge seiner unermüdlichen Aktivitäten und seiner Kooperation sind ihm zahlreiche Ehrenmitgliedschaften und Ehrungen zuteil geworden, wie die Wahl zum Fellow des Royal College of Anaesthetists im Jahr 1976 und die Verleihung des Ehrendoktorats der Medizin der Medizinischen Akademie von Lublin, Polen, im Jahr 1989. Er war Träger der Ehrennadel der Columbianischen Anästhesiegesellschaft, des Großen Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste der Republik Österreich, des Goldenen Ehrenzeichens der Ärztekammer für Wien, des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien und des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse.

Karl Steinbereithner war einer der wichtigsten Architekten unseres Faches in Österreich. Er war nicht nur an vorderster Front bei der Etablierung des Faches, er war auch immer vorausblickend -denkend und -handelnd, wenn es um die Zukunft ging, die unser Fach nehmen sollte. Darüber hinaus hatte er ein beneidenswertes profundes Wissen auf vielen Teilgebieten unseres Faches. Nicht zuletzt deshalb, vor allem aber auch wegen seiner unschlagbaren Rhetorik, gepaart mit Witz und Charme und seiner Gabe das Problem auf den Punkt zu bringen, wurde er zu einem der beliebtesten Festredner, Moderatoren und Diskussionsleiter.

Das Bild von der Persönlichkeit Karl Steinbereithners ist aber erst dann komplett, wenn man sich seines ungemein breiten Allgemeinwissens erinnert. Humanistische Bildung, sprachliche Versiertheit und enorme Kenntnisse über Darstellenden Kunst, Musik, Kultur und Traditionen vieler Länder haben ihn zu einem anregenden Gesprächspartner und Lehrer auch in diesen Belangen gemacht. Den Älteren unter uns sind die Philharmonischen Konzerte, die er für seine Gäste zu Hause gab oder seine Sangeskunst, bravourös begleitet von Hans Bergmann auf den verschiedensten musikalischen Instrumenten, noch heute unvergesslich. Und er verstand es auch die Genüsse des Lebens voll auszukosten und anderen die Augen dafür zu öffnen.

Neben seiner Experimentellen Abteilung, die er in den letzten 17 Jahren leitete galt seine ganze Liebe der Intensivmedizin, der er bis zum Schluss treu blieb. Die Intensivstation war seine zweite Heimat und sein Leben endete an der Intensivstation unter der fürsorglichen Begleitung seiner ehemaligen Schüler und seiner Familie, seiner Gattin Friedl, seiner Kinder Sabine und Martin und seiner drei Enkelkinder. Wir alle, die ihn kannten, wollen ihn in dankbarer Erinnerung behalten und uns bemühen, im Sinn seiner hohen Ziele, die er sich immer gesteckt und von denen er viele erreicht hat, weiter zu arbeiten.

Sylvia Fitzal, Wien

Prim. Univ. Prof. Dr. Sylvia Fitzal

Abteilung für Anästhesie, Allgemeine und Toxikologische Intensivmedizin,
Wilhelminenspital der Stadt Wien

Montleartstraße 37

1170 Wien

Email: sylvia.fitzal@ian.wil.magwien.gv.at

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