Zusammenfassung
Fragestellung
Bisherige Daten zeigen den kurzzeitigen Erfolg einer Tokolyse mit Betamimetika. Langfristige
Erfolge gemessen an einer Schwangerschaftsverlängerung von über 48 h sind zwar durch
einzelne Studien ebenfalls belegt, konnten aber v. a. durch neuere Metaanalysen nicht
bestätigt werden. Dies führte in den letzten Jahren zunehmend zu einer ablehnenden
Haltung gegenüber einer langzeitigen i.v. Dauerinfusion. Viele Geburtshilfliche Kliniken
im deutschsprachigen Raum verwenden daher im Sinne einer Alternative zur kontinuierlichen
i.v. Langzeittokolyse eine Infusion während maximal 48 h. Das Ziel der vorliegenden
Untersuchung war es, den Stellenwert einer langzeitigen i.v. Dauertokolyse mit Betamimetika
anhand von objektiven Befunden vor, während und nach der Behandlung zu charakterisieren.
Material und Methodik
Aus den Entlassungsberichten der Pränatalstation der Geburtshilflichen Klinik am Universitätsspital
Zürich wurden primär diejenigen schwangeren Patientinnen einbezogen, die im Verlaufe
ihrer vorgeburtlichen Hospitalisation eine i.v. Tokolyse mit Betamimetika erhielten.
Berücksichtigt wurden die Berichte ab dem Stichdatum der Klinikeinweisung vom 1. 1.
1991 bis zum 31. 12. 1995. Diese Jahrgänge wurden deshalb ausgewählt, weil bis Ende
1995 ein konservatives Vorgehen bei der Tokolyse überwog, d. h. üblicherweise eine
i.v. Dauertokolyse angewendet wurde. Von den primär einbezogenen Patientinnen wurden
die Krankengeschichten herausgesucht, um die definitive Aufnahme in die Studie gemäß
strengen Einschlusskriterien (therapeutische i.v. Tokolyse mit Betamimetika bei Einlingsschwangerschaften
mit objektivierbaren Frühgeburtsbestrebungen) zu eruieren. Von ursprünglich 277 Patientinnen
genügten letztlich 203 den Einschlusskriterien. In die Datenerhebung wurden Parameter
einbezogen, die den geburtshilflichen Aufnahmebefund und den Tokolyse- bzw. Schwangerschaftsverlauf
beschreiben.
Ergebnisse
Aufnahmebefunde bei Tokolysebeginn: Alter: 30,0 ± 5,68 Jahre; Gestationsalter im Durchschnitt 29,41 ± 3,81 SSW und proportional
zur Anzahl Kontraktionen, zum Vorhandensein eines vorzeitigen Blasensprungs < 37,0
SSW (VBLSP) oder einer Blutung. Vorzeitige unregelmäßige Wehentätigkeit: n = 57 (36,1
%), davon 23 mit einem VBLSP, 11 mit einer Blutung und 10 mit einer Muttermundweite
(MM) > 1.0 cm. Vorzeitige regelmäßige Wehentätigkeit: n = 62 (39,2 %), davon 16 mit
einem VBLSP, 14 mit einer Blutung und 13 mit einer MM > 1,0 cm. VBLSP: n = 88 (43,3
%), davon 16 mit einer Blutung. MM: 1,14 ± 1,39 cm. Tokolyseverlauf: Die durchschnittliche Tokolysedauer betrug knapp 14 Tage. 40 Patientinnen (19,7 %)
wurden höchstens 48 Stunden lang, 105 Patientinnen (51,7 %) wurden länger als 1 Woche
tokolysiert. Schwangere mit einer MM > 1 cm hatten eine signifikant kürzere Tokolysedauer.
Die Tokolysedauer bei Patientinnen mit einem VBLSP war gegenüber dem Kollektiv ohne
VBLSP signifikant reduziert. Der Anteil an Patientinnen, die eine Tokolysedauer von
mind. 7 Tage erreichten, war im Kollektiv mit VBLSP signifikant geringer als bei Patientinnen
ohne VBLSP. Verlängerung der Schwangerschaft: Durchschnittlich wurde das Gestationsalter von Beginn der Tokolyse an bis zur Geburt
um 26 Tage verlängert. 133 Patientinnen (65,5 %) erreichten ein Gestationsalter von
mehr als 32,0 SSW, 97 Patientinnen (47,8 %) ein Gestationsalter von mehr als 34,0
SSW und 52 Patientinnen (25,6 %) erreichten den Termin. 140 Patientinnen, überwiegend
aus dem Frühgeburtenkollektiv, wurden innerhalb von 48 Stunden nach dem Stopp der
Tokolyse entbunden. Davon hatten 105 Patientinnen eine Tokolysedauer von mehr als
48 h. Die Verlängerung des Gestationsalters steht in positiv linearer Beziehung zur
Tokolysedauer. Patientinnen mit einem VBLSP oder einer MM > 1 cm hatten eine signifikant
geringere Verlängerung der Gestation.
Schlussfolgerung
Mit Hilfe einer i.v. kontinuierlichen Tokolyse (Dauertokolyse) kann eine relevante
Tragzeitverlängerung erreicht werden. Ein VBLSP und ein eröffneter Muttermund stellen
Befunde dar, die eine reduzierte Tokolysedauer bzw. Gestationsverlängerung voraussagen
können. Selbst Patientinnen mit mehreren Risikofaktoren haben jedoch die Chance, ihr
Gestationsalter signifikant zu verlängern. Eine Dauertokolyse mit Betamimetika kann
daher bei Patientinnen mit Frühgeburtsbestrebungen durchaus sinnvoll sein.
Abstract
Objective
There are few data on the efficacy of beta-mimetic tocolysis for prolonging pregnancy
by more than 48 hours and these data have not been confirmed by meta-analyses. We
reviewed the results of long-term intravenous tocolysis with betamimetic agents.
Methods
A total of 277 women received intravenous betamimetic tocolysis between 1991 and 1995.
We analyzed 203 cases with singleton pregnancies, documented preterm labor, and a
complete obstetric medical record.
Results
The mean age of the 203 women was 30.0 ± 5.7 years and the mean gestational age was
29.4 ± 3.8 weeks. Fifty-seven women (36.1 %) had irregular premature contractions
(23 with premature rupture of the membranes (PROM), 11 with bleeding, 10 with cervical
dilatation > 1 cm). Sixty-two women (39.2 %) had regular premature contractions (16
with PROM, 14 with bleeding, 13 with cervical dilatation > 1 cm). Overall, 88 women
(43.3 %) had PROM (16 with bleeding, mean cervical dilatation 1.1 ± 1.4 cm). The mean
duration of tocolysis was just under 14 days (≤ 48 hours in 40 women (19.7 %), > 1
week in 105 cases (51.7 %)). PROM and cervical dilatation > 1 cm were each associated
with significantly shorter duration of tocolysis. The rate of patients receiving tocolysis
for ≥ 7 days was lower in patients with PROM than in those with intact membranes.
The mean interval between the initiation of tocolysis and delivery was 26 days. Gestational
age exceeded 32.0 weeks in 133 cases (65.5 %) and 34.0 weeks in 97 cases (47.8 %);
52 pregnancies (25.6 %) proceeded to term. Delivery occurred within 48 hours after
stopping tocolysis in 140 cases, predominantly in the premature birth group; in 105
of these cases the duration of tocolysis exceeded 48 hours. There was a positive linear
relationship between prolongation of pregnancy and duration of tocolysis; PROM and
cervical dilatation > 1 cm were each associated with significantly shorter prolongation
of pregnancy.