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Kommentare zum Beitrag von J. Schröder und H. Wassmann
D. Stolke, J. Pospiech, Essen
Wird nach einer cervicalen Diskektomie aufgrund degenerativer Veränderungen eine gleichzeitige
Fusion angestrebt, so gilt im internationalen Vergleich die Verwendung eines autologen
Beckenkammspanes nach wie vor als ,,gold standard``. Die vor mehr als 30 Jahren von
Grote und Röttgen etablierte Methode der cervicalen interkorporellen Fusion mit PMMA
konnte sich trotz wesentlicher Vorteile insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum
nicht durchsetzen. Bei einer deutlich geringeren perioperativen Komplikationsrate
und einer kürzeren OP-Zeit sind die klinischen Ergebnisse sowohl im frühen als auch
im späten postoperativen Verlauf zudem gleich. Eine solide knöcherne Fusion, wie sie
von den Befürwortern der Cloward- oder Smith-Robinson-Technik gefordert wird, wird
bei Verwendung eines PMMA-Dübels zwar in einem geringeren Prozentsatz beobachtet,
scheint aber nach neueren Untersuchungen auch nicht erforderlich zu sein.
Vor diesem Hintergrund zeigen die vorliegenden Umfrageergebnisse sehr eindrucksvoll,
wie weit verbreitet diese Methode unter deutschen Neurochirurgen dennoch ist. So wurde
in 3410 von 8608 Fällen (d. h. in 40%) PMMA benutzt. Den zweiten Platz teilen sich
mit jeweils 27% Beckenkammspäne und Titan-Implantate. Bei diesen Zahlen stellt sich
zwangsläufig die Frage, warum Titan-Cages in dieser relativ großen Häufigkeit eingesetzt
wurden. Eindeutige Vorteile gegenüber dem ,,gold standard`` oder gegenüber PMMA existieren
nicht. Vielmehr sind - gerade in der heutigen Zeit - die deutlich höheren Kosten von
Titan-Implantaten aufzuführen, die ihre Anwendung unseres Erachtens in keinster Weise
rechtfertigen, sondern uns im Gegenteil dazu veranlassen sollten, die Indikation äußerst
streng zu stellen. Insofern bietet die geplante deutsche Multicenterstudie der Sektion
Wirbelsäule unserer Fachgesellschaft eine gute Gelegenheit, die Vor- und Nachteile
der verschiedenen Fusionstechniken an der HWS zu evaluieren.
J. Dvorak, Zürich
Die Autoren haben eine retrospektive Umfrage bei 100 neurochirurgischen Kliniken in
Deutschland durchgeführt. Eine retrospektive Umfrage ist mit zahlreichen Nachteilen
behaftet. Insbesondere Komplikationen werden durch retrospektive Umfrage nicht hinreichend
erfasst. Es ist kaum anzunehmen, dass die beteiligten Kliniken ihre Komplikationen
lückenlos registriert haben. Am ehesten handelt es sich bei den Angaben um Schätzungen.
In der Studie wird festgestellt, dass an den beteiligten neurochirurgischen Kliniken
die Diskektomie nahezu immer mit einer Fusion kombiniert wird, obwohl in der neurochirurgischen
Literatur die Diskektomie ohne Fusion ähnlich gute Langzeitresultate ergeben soll.
Dass Polymethylmethacrylat (PMMA) in einem so außergewöhnlichen Prozentsatz als Fusionsmaterial
eingesetzt wird, ist beachtenswert und bedarf einer näheren Analyse und Begründung.
Diese Studie - es handelt sich eher um eine kurze Mitteilung - gibt Auskunft über
eine vorherrschende Auffassung zur Behandlung von cervicalen Diskushernien. Ein aktueller
Standard oder gar ein Trend lässt sich hieraus nicht ablesen. Die Autoren selbst stellen
fest, dass in deutschen neurochirurgischen Kliniken, entgegen dem Trend in zahlreichen
anderen Ländern, Polymethylmethacrylat noch das am häufigsten eingesetzte Dübelmaterial
ist und dass die Fusion mit Beckenkammknochen trotz der Morbidität hinsichtlich der
Spanentnahme noch einen festen Platz hat.
Dieser Beitrag muss den Leser nachdenklich stimmen. Der Trend in der medizinischen
Behandlung sollte wissenschaftlichen Resultaten folgen (evidence based) und nicht
von Budgetüberlegungen bestimmt werden. Bei ca. 10 000 cervicalen Diskushernienoperationen
pro Jahr in Deutschland sollte der Ruf nach einer prospektiv randomisierten Studie
mit Polymethylmethacrylat, Knochenspan, Titancage sowie Diskektomie ohne Fusion sehr
stark und mit großer Beteiligung sein. Eine solche Studie kann nur in Deutschland
durchgeführt werden, da in anderen Ländern Polymethylmethacrylat nur äußerst selten
bei Diskushernieneingriffen eingesetzt wird.
Dr. J. Schröder
Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie
Universitätsklinikum Münster
D-48129 Münster
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