Zusammenfassung
Einleitung
Geburtstrauma und Schwangerschaft sind wichtige pathogenetische Faktoren in der Ätiologie
der Stressharninkontinenz. Während zahlreiche Untersuchungen über das Geburtstrauma
kontroverse Ergebnisse zeigen, gibt es nur wenige Untersuchungen über die Veränderungen
in graviditate, obwohl neuere Arbeiten zeigen konnten, dass die Stressharninkontinenz
nicht selten bereits in der Schwangerschaft auftritt. Ziel dieser Arbeit sollte es
sein, die topografische Veränderung des Blasenhalses sowie die Funktionalität der
Beckenbodenmuskulatur zu untersuchen.
Material und Methode
Bei 38 Schwangeren wurden die Veränderungen des Beckenbodens jeweils in der 10., 20.,
30. und 40. Schwangerschaftswoche sowie 6 - 8 Wochen post partum untersucht. Mittels
Perinealsonographie wurde die Topografie des Blasenhalses in Ruhe, beim Pressen sowie
bei Kontraktion erfasst. Die Funktionalität der Beckenbodenmuskulatur wurde mit dem
Introitus-EMG gemessen.
Ergebnisse
Alle Schwangeren dieser Studie zeigten einen signifikanten Deszensus (Dorsokaudalisation)
des Blasenhalses im Verlauf der Schwangerschaft sowohl in Ruhe, deutlicher beim Pressen.
Der größte Deszensus war vor der Geburt zu beobachten. Nach der Entbindung zeigten
einige Frauen eine Progression, andere eine Remission des Deszensus. Das Summationspotenzial
des Introitus-EMG sank bereits im ersten Trimenon deutlich ab (p < 0,05) und am stärksten
im dritten Trimenon (p = 0,001). Bei den meisten Schwangeren kam es post partum zu
einem Wiederanstieg der Werte, die jedoch nicht das Ausgangsniveau erreichten. 11
der Schwangeren gaben eine Stressharninkontinenz an, 6 davon waren bereits ante graviditate
inkontinent, darunter eine Nullipara. Drei weitere entwickelten in den ersten 20 Wochen,
zwei bis zur 40. SSW eine Inkontinenz. 4 dieser 5 Frauen zeigten entweder einen deutlichen
Deszensus oder eine Abnahme der Kontraktilität auf subnormale Werte.
Schlussfolgerung
Bereits im 1. Trimenon der Schwangerschaft kommt es zu einer deutlichen Dystopie des
Blasenhalses und einer Abnahme der Funktionalität der Beckenbodenmuskulatur. Die stärksten
Veränderungen sind präpartal im 3. Trimenon. Bei einem großen Teil der Schwangeren
kommt es im Vergleich zu der präpartalen Situation zu einer Teilremission. Diese Ergebnisse
zeigen die Notwendigkeit, diese Veränderungen bereits in graviditate subtil zu diagnostizieren
und gezielt zu behandeln, um einer späteren Stressharninkontinenz vorzubeugen.
Abstract
Objective
We studied the topography of the bladder neck and the functionality of the pelvic
floor longitudinally during pregnancy.
Methods
Thirty-eight pregnant women were examined in the 10th, 20th, 30th, and 40th weeks
of gestation and 4 - 10 weeks after delivery. Perineal ultrasonography was used to
image the bladder neck at rest, during Valsalva, and during a pelvic floor contraction.
The functionality of the pelvic floor was assessed with electromyography (EMG).
Results
All women had significant descent of the bladder neck over the course of pregnancy.
This was seen at rest and, particularly, during straining. The greatest amount of
descent was seen before delivery. After delivery descensus progressed in some women
and decreased in others. The sum potential of the pelvic floor EMG decreased in the
first trimester (P < 0.05) and in the third trimester (P < 0.01). In most women the
values increased after delivery, albeit without reaching prepregnancy levels. Eleven
of the pregnant women reported stress incontinence; six of these, including one nullipara,
reported incontinence before pregnancy including one nullipara). Three further women
developed incontinence during the first 20 weeks and two by 40 weeks. Four of these
five women showed either marked descensus or decreased pelvic floor contractility.
Conclusions
There are significant changes in the position of the bladder neck and pelvic floor
functionality as early as the first trimester. The greatest changes occur in the third
trimester. Some, but not all, changes resolve after delivery. It is important to distinguish
between impaired muscle function and insufficiency of the connective tissue.
Schlüsselwörter
Deszensus - Stressinkontinenz - Gravidität - Introitus-EMG - Blasenhalsdystopie
Key words
Vaginal prolapse - Stress incontinence - Introitus-EMG - Bladder neck mobility