Zentralbl Chir 2001; 126(9): 722-729
DOI: 10.1055/s-2001-18246
Intensivmedizin zwischen Technik und Humanität

J.A.Barth Verlag in Medizinverlage Heidelberg GmbH & Co.KG

Einstellung von Sondenernährung, Patientenverfügung und gerichtliche Genehmigung der Therapiebegrenzung

Zu Rechtsfragen ärztlicher SterbehilfeDiscontinuation of life sustaining treatment, living will and the role of the courts within the decision making processSonja Rothärmel
  • Fachbereich Rechtswissenschaften - Strafrecht und Strafprozessrecht (Lehrstuhl: Prof. Dr. G. Wolfslast), Universität Gießen
Further Information

Publication History

Publication Date:
06 November 2001 (online)

Discontinuation of life sustaining treatment, living will and the role of the courts within the decision making process

Summary

Since the Federal High Court decided the “Case of Kempten” in 1994, German Law allows discontinuation of life-sustaining treatment even when the patient's life could be extended by a number of months. Unfortunately, the court gives little normative criteria regarding the conditions under which “helping to die” is legal. Instead of such criteria, the will of the patient is underlined as being decisive. Therefore, the legal problems have shifted to the determination of the patient's will and substituted consent; written living will, power of attorney and consent of the court have become more important within the law of euthanasia. Along with a general description of the legal limits of euthanasia, the scope of application of these civil law institutes will be discussed.

Zusammenfassung

Seit dem „Kemptener Urteil” des Bundesgerichtshofs in Strafsachen von 1994 dürfen lebenserhaltende Maßnahmen auch dann eingestellt werden, wenn der Patient möglicherweise noch monatelang am Leben gehalten werden könnte. Dabei nennt das Gericht nur wenige normative Zulässigkeitsvoraussetzungen solcher „Hilfe zum Sterben” - maßgeblich soll vor allem der Wille des Patienten sein. Weil sich dadurch die rechtliche Problematik auf die Feststellbarkeit des Willens bei einwilligungsunfähigen Patienten verschoben hat, kommt Einwilligungssubstituten wie Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht wie auch der gerichtlichen Genehmigung der Einwilligung eines Betreuers zunehmende Bedeutung im Recht der Sterbehilfe zu. Neben einer generellen Darstellung der rechtlichen Zulässigkeit von Therapiebegrenzung wird der Anwendungsbereich dieser zivilrechtlichen Institute diskutiert.

Literatur

  • 1 Angell M. Caring for the dying - Congressional mischief.  N Engl J Med. 1999;  341 1923-1925
  • 2 Ankermann E. Verlängerung sinnlos gewordenen Lebens? Zur rechtlichen Situation von Koma-Patienten.  Medizinrecht. 1999;  17 387-392
  • 3 Baumann J. et al .Alternativentwurf eines Gesetzes über Sterbehilfe (AE-Sterbehilfe). Thieme, Stuttgart 1986
  • 4 Becker H, Mattheis R, Hennies G, Schirop T. Behandlungsabbruch - Patientenverfügung (Patiententestament) Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht - Empfehlungen der Ethikkommission der Ärztekammer Berlin.  Intensivmed. 1999;  36 71-81
  • 5 Bundesärztekammer . Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung.  Dt Ärztebl. 1998;  95 A-2365-2367
  • 6 Bundesärztekammer . Handreichungen für Ärzte zum Umgang mit Patientenverfügungen.  Dt Ärztebl. 1999;  96 A-2720-2721
  • 7 Castro O. Caring for the dying - Congressional mischief (Correspondence).  N Engl J Med. 2000;  342 1049
  • 8 Coeppicus R. Behandlungsabbruch, mutmaßlicher Wille und Betreuungsrecht.  Neue Juristische Wochenschrift. 1998;  51 3381-3387
  • 9 Deutsche Gesellschaft für Chirurgie . Leitlinien zum Umfang und zur Begrenzung der ärztlichen Behandlungspflicht in der Chirurgie.  Deutsche Gesellschaft für Chirurgie - Mitteilungen. 1996;  96 364-370
  • 10 Dölling D. Zulässigkeit und Grenzen der Sterbehilfe.  Medizinrecht. 1987;  5 6-12
  • 11 Eser A. Freiheit zum Sterben - Kein Recht auf Tötung.  Juristen Zeitung. 1968;  41 786-795
  • 12 Jakobs G. Behandlungsabbruch auf Verlangen und ¿ 216 StGB (Tötung auf Verlangen). In: Schütz H (Hrsg). FS Für Günter Schewe. Springer, Berlin 1991; 73-80
  • 13 Jakobs G. Tötung auf Verlangen, Euthanasie und Strafrechtssystem.  Bayrische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Sitzungsberichte. 1998;  2 3-35
  • 14 Kaufmann A. Euthanasie - Selbsttötung - Tötung auf Verlangen.  Medizinrecht. 1983;  1 121-125
  • 15 Klug U. Das Recht auf einen menschenwürdigen Tod. Schmied-Kowarzik (Hrsg). FS für Sonnemann. Gesamthochschule Kassel 1982; 114-123
  • 16 Kutzer K. Strafrechtliche Grenzen der Sterbehilfe.  Neue Zeitschrift für Strafrecht. 1994;  14 110-115
  • 17 Laufs A. Zivilrichter über Leben und Tod?.  Neue Juristische Wochenschrift. 1998;  51 3399-3401
  • 18 Merkel R. Tödlicher Behandlungsabbruch und mutmaßliche Einwilligung bei Patienten im apallischen Syndrom - Zugleich eine Besprechung von BGH NJW 1995, 204.  Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft. 1995;  107 545-575
  • 19 Leist A. Das Dilemma der aktiven Euthanasie - Gefahren und Ambivalenzen des Versuchs, aus Töten soziale Praxis zu machen. In: Körner U (Hrsg). Berliner Medizinethische Schriften. Humanitas, Dortmund 1996; 5
  • 20 Opderbecke H W, Weißauer W. Grenzen der intensivmedizinischen Behandlungspflicht - Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin.  Anaesthesiologie & Intensivmedizin. 1999;  2 94-96
  • 21 Opderbeke H W, Weissauer W. Grenzen intensivmedizinischer Behandlungspflicht - Erläuterungen zu den Leitlinien der DGAI.  Anaesthesist. 1999;  48 207-217
  • 22 Pichlmayr H. Anmerkung zu den Leitlinien zum Umfang und zur Begrenzung der ärztlichen Behandlungspflicht in der Chirurgie.  Deutsche Gesellschaft für Chirurgie - Mitteilungen. 1996;  96 371
  • 23 Schmidt P, Madea B. Grenzen ärztlicher Behandlungspflicht am Ende des Lebens.  Medizinrecht. 1998;  16 406-409
  • 24 Schöch H. Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen.  Neue Zeitschrift für Strafrecht. 1995;  15 153-208
  • 25 Schreiber H-L. Das Recht auf den eigenen Tod - zur gesetzlichen Neuregelung der Sterbehilfe.  Neue Zeitschrift für Strafrecht. 1986;  6 337-345
  • 26 Schreiber H-L. Typen der Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht.  Forum DKG. 1998;  13 274-275
  • 27 Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften . Medizinisch-ethische Richtlinien für die ärztliche Betreuung Sterbender und zerebral schwerst geschädigter Patienten.  SÄZ. 1995;  79 2118-2134
  • 28 Taupitz J. Empfehlen sich zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung der Patientenautonomie am Ende des Lebens?. Gutachten A zum 63. Deutschen Juristentag Leipzig 2000. Beck, München 2000
  • 29 Verrel T. Selbstbestimmungsrecht contra Lebensschutz.  Juristen Zeitung. 1996;  51 224-230
  • 30 Wolfslast G. Behandlungsgrenzen, Behandlungsverzicht und Sterbehilfe: Rechtliche Grundlagen.  Forum DKG. 1998;  13 286-288
  • 31 Wolfslast G. Euthanasie aus der Sicht der Rechtsprechung. In: Aulbert E, Klaschnik E, Pichlmaier H (Hrsg). Palliativmedizin - Die Alternative zur aktiven Sterbehilfe. Schattauer, Stuttgart 1999; 41-51
  • 32 Wolfslast G. Gedanken zur Sterbehilfe. In: Kreuzer A, Jäger H, Otto H, Quensel S, Rolinski K (Hrsg). Fühlende und denkende Kriminalwissenschaften - Ehrengabe für Anne-Eva Brauneck. Forum-Verlag, Godesberg 1999; 473-500
  • 33 Wolfslast G, Conrads C. Textsammlung Sterbehilfe. Springer, Berlin 2000
  • 34 Wuermeling H-B. Der Richtlinienentwurf der Bundesärztekammer zu ärztlicher Sterbebegleitung und den Grenzen zumutbarer Behandlung.  Ethik Med. 1997;  9 91-99
  • 35 Wuermeling H-B. Gebotenes Sterbenlassen.  Anästhesist. 1999;  33 A-2205-2208
  • 36 Zöller M A. Passive Sterbehilfe zwischen Selbstbestimmungsrecht des Patienten und mutmaßlicher Einwilligung.  Zeitschrift für Rechtspolitik. 1999;  32 317-319

Sonja RothärmelWissenschaftliche Mitarbeiterin 

Universität Gießen
Fachbereich Rechtswissenschaften

Hein-Heckroth-Straße 3

D-35390 Gießen

    >