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DOI: 10.1055/s-2001-17786
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Selbstmord! „Satan bist du unter uns?”
Die Medien und die SelbsttötungSuicide! „Is Satan Among Us?”Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
15. Oktober 2001 (online)

Vor einigen Wochen stürzten sich im sächsischen Reichenbach drei Jugendliche von einer Eisenbahnbrücke in den Tod. Freunde und Erwachsene im Ort suchen nach einem Schuldigen. Das berichtet der Spiegel in seiner Ausgabe 36/2001 (102 - 103).
Die Frage „Satan bis du unter uns?” ist die Schlagzeile dieses Beitrages. Und dieser wiederum ist ein Trauerspiel in der Art und Weise, wie Medien immer wieder anscheinend unbelehrbar mit dem Suizid umgehen, nach dem Suizid berichten und dabei mehr als gelegentlich eine Art Aufforderung zum Tanz vermitteln und durch Spekulationen und Schuldzuweisungen zusätzliches Leid für die Mitbetroffenen bringen, die Angehörigen, Freunde, die Arbeitskollegen oder die Bewohner einer ganzen Gemeinde, wie im vorliegenden Fall.
Was der Spiegel aus seiner Berichterstattung macht, die unter der Rubrik Gesellschaft/Jugend erscheint, ist eine Art Home-Story über die drei jungen Männer, deren Sturz in den Tod unerklärlich bleibt. Da muss eine abenteuerliche Geschichte herhalten, die der Tragik des Geschehens in keiner Weise gerecht wird: Verschwörungstheorien, Satanskult, Teufelsanbeter.
Interessant immerhin ist die Mitteilung, dass einer der jungen Leute immer wieder über „Selbstmord” sprach, aber mit dem Zusatz, die anderen nahmen ihn nicht ernst. Interessant ist auch die Information, die drei Suizidopfer sollen ihren Suizid eine Woche bevor sie von der Brücke stürzten, im Internet angekündigt haben: Eigentlich müsste man so etwas belegen können. Also Spekulation.
Die Geschichte, die in dem Beitrag erzählt wird, ist abenteuerlich. Plausibel ist sie nicht. „Nach dem Suizid sprach die Polizei von ,satanischen Praktiken‘ der Jugendlichen. Die Lokalzeitung berichtete über brennende Autos, die im Kennzeichen die teuflische Zahl 666 trugen, ein Pfarrer der Stadt erinnert sich an ein gotteslästerliches Transparenz, das in seiner Kirche hing, und seither ist Reichenbach in den Boulevardzeitungen und TV-Magazinen ein Ort des Teufels.”